Kinderbeihilfe: Reformplan mit Haken

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ÖVP kritisiert „unheilige Allianz von IV und AK“ und hält deren Vorhaben für verfassungswidrig. „Hart an der Grenze“, sagt Jurist Heinz Mayer. Die IV verteidigt ihr Konzept.

Wien. Von der „unheiligen Allianz von IV und AK“ spricht ÖVP-Seniorenbund-Obmann Andreas Khol. Denn die beiden ideologisch so unterschiedlich ausgerichteten Institutionen, die Industriellenvereinigung (IV) und die Arbeiterkammer (AK), machen ausgerechnet auf dem für die ÖVP so heiklen wie wichtigen Feld der Familienpolitik nun gemeinsame Sache.

Eine Totalreform und Vereinheitlichung des Systems haben die Präsidenten von IV und AK, Veit Sorger und Herbert Tumpel, vorgeschlagen. Alle Geld- und Steuerleistungen (Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Alleinverdienerabsetzbetrag, Mehrkindzuschlag) sollen zu einer einzigen Familienbeihilfe neu zusammengeführt werden – demnach würde es für jedes Kind pro Monat 210 Euro geben. Steuerliche Absetzbeträge für Kinder würden abgeschafft. Zuschläge gäbe es für Alleinerzieher und bei behinderten Kindern. Zusätzlich ist ein Gutscheinmodell – 35Euro monatlich pro Kind, zweckgebunden für Kinderbetreuung, Nachhilfe, Skikurse oder Ähnliches – vorgesehen. Und ein Ausbau der Kinderbetreuungsplätze.

Allerdings könnte dieser Plan einen Haken haben, denn er differenziert beim Förderbetrag nicht danach, wie alt das Kind ist bzw. ob es noch Geschwister hat. Das sei verfassungswidrig, meint Andreas Khol. Denn der Verfassungsgerichtshof (VfGH) habe festgehalten, dass durch staatliche Leistungen die Hälfte der durch ein Kind entstehenden Kosten gedeckt sein müsse. Das sei beim IV-AK-Vorschlag aber nicht sichergestellt.

Auch Ministerium hegt Bedenken

Auch aus dem Familienministerium von Reinhold Mitterlehner hieß es am Dienstag, dass der neue Vorschlag verfassungsrechtliche Fragen aufwerfe. Tatsächlich habe der VfGH in den 1990er-Jahren die 50-Prozent-Grenze entworfen, erklärt der Wiener Jus-Dekan Heinz Mayer im Gespräch mit der „Presse“. Wie der Gesetzgeber diese erfülle – ob durch Auszahlungen oder Steuerabsetzbeträge – sei aber egal. Der Vorschlag von IV und AK sei jedoch rechtlich „hart an der Grenze“, meint Mayer, zumal in manchen Fällen möglicherweise nicht sichergestellt werden könne, dass die Kinder tatsächlich ausreichend vom Staat unterstützt werden.

Federführend auf Seiten der IV für das neue Familienbeihilfen-Modell war Christian Friesl, Bereichsleiter für Gesellschaftspolitik ebendort. Einwände, dass mit dem IV-AK-Modell die Eltern bevormundet würden – etwa wegen der zweckgebundenen Gutscheine und dem Vorrang für Kinderbetreuungseinrichtungen –, weist er ebenso zurück wie den Vorwurf, dass der Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit gerade gutverdienende Eltern und Mehrkindfamilien negativ treffen würde. „Das würde nur eine ganz kleine Gruppe betreffen.“ Außerdem sei er der Meinung, dass der Ausbau der Kinderbetreuung allen zugutekommen würde.

Das dahinterstehende Motiv sei die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewesen, man habe sich da nicht zuletzt an den nordischen Ländern orientiert. Und da die Familienbeihilfe aus dem Familienlastenausgleichsfonds finanziert werde, der zu 83 Prozent aus Arbeitgeberbeiträgen bestehe, habe die IV auch im Sinne ihrer Klientel großes Interesse daran, dass dieser Betrag effizient und sinnvoll eingesetzt werde. Zudem würde das neue Modell Einsparungen von rund 100 Millionen Euro ermöglichen – inklusive des Ausbaus der Kinderbetreuung.

Neun Milliarden Euro gibt der Bund in Summe pro Jahr für Familienleistungen aus. Neben Kosten für das Kinderbetreuungsgeld – hierbei soll laut IV-AK-Plan die längste Variante gestrichen werden – entfallen 3,5 Milliarden Euro auf die Familienbeihilfe, 1,3 Milliarden auf den Kinderabsetzbetrag.

Dass das IV-AK Modell auch in die Tat umgesetzt wird, scheint aber unrealistisch. Zwar steht die SPÖ mit Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek der Idee überaus positiv gegenüber. Die ÖVP bleibt aber skeptisch. Familienminister Mitterlehner ortet für Mehrkindfamilien „die Gefahr einer Leistungskürzung, die wir nicht wollen“. Zudem dürfe man die Gesetzeslage nicht ständig verändern, wenn man den Österreichern „Mut zu Kindern“ machen wolle.

Auf einen Blick

Familienbeihilfe neu: Alle Geld- und Steuerleistungen (Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Mehrkindzuschlag etc.) sollen zu einer Familienbeihilfe zusammengeführt werden (210 Euro pro Kind). Plus Gutscheinmodell (35 Euro pro Kind, zweckgebunden). Plus Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2012)

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