Budgetsanierung. Für die Schuldenbremse braucht man nicht die Verfassung, sondern den richtigen Sparwillen, sagt WKO-Präsident Christoph Leitl. Als Beispiel könnte die Schweiz dienen, deren Schuldenbremse seit sieben Jahren ununterbrochen für Budgetüberschüsse sorgt.
Wien/Ju. Die Regierung solle sich nicht in endlosem Gefeilsche um eine Verfassungsmehrheit für die geplante Schuldenbremse verlieren, sondern diese „auf der derzeitigen gesetzlichen Basis“, dafür aber sofort, anziehen, verlangt der Präsident der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl. Die Märkte ließen sich nur durch Taten und „nicht von dem überzeugen, was in der Verfassung steht“, sagte Leitl am Donnerstag. Und: Es sei angesichts der schwierigen Situation in einigen Nachbarländern „höchste Zeit“, diese Taten zu setzen.
Wie es geht, könne man sich ruhig von der Schweiz abschauen, meinte der Wirtschaftskammer-Präsident. Die Eidgenossen haben nach einem scharfen Anstieg der Staatsverschuldung in den Neunzigerjahren schon 2003 eine Schuldenbremse im Verfassungsrang installiert. Eine, die wesentlich ambitionierter als die in Österreich geplante ist, weil sie Budgetdefizite nur noch in Ausnahmefällen zulässt und für diesen Fall zwingend deren Ausgleich durch Überschüsse innerhalb der nächsten drei Jahre vorschreibt. Und eine, die bestimmt, dass unerwartet hohe Steuereinnahmen (wie etwa 2009) nicht für Mehrausgaben, sondern für den Schuldenabbau verwendet werden müssen.
Gewinn aus der Bankenrettung
Vor allem aber eine, die phänomenal wirkt: Seit sieben Jahren hat der Bund ausnahmslos Budgetüberschüsse erwirtschaftet. Auch in der Krise, in der die Großbank UBS mit einem zweistelligen Milliardenbetrag gerettet werden musste. Allerdings waren die Eidgenossen auch bei dieser Bankenrettung eine Spur schlauer als die übrigen Europäer. Die UBS bekam nicht Partizipationskapital, sondern eine Wandelanleihe, die in Aktien gewandelt wurde – und dem Bund beim Ausstieg dann 1,2 Mrd. Franken Gewinn bescherte.
Die Schweiz hat mit ihrer Schuldenbremse die Staatsverschuldung jedenfalls nicht nur in Relation zum BIP (von 57 auf 42 Prozent), sondern auch in absoluten Zahlen abgebaut. In Österreich ist die offizielle Staatsschuld gleichzeitig von 60 auf über 70 Prozent des BIPs gestiegen, mit den ausgelagerten Schulden liegt sie bereits jenseits von 80 Prozent.
Vor allem aber: Die Schweiz hat die Staatsschuldenreduktion zu 100 Prozent durch Einsparungen erreicht, wie der Bankexperte der Schweizerischen Volkspartei, Hans Kaufmann, betonte. Einnahmenseitige Sanierungen (durch Steuererhöhungen) hätten noch nirgends funktioniert, wenn nicht mindestens zwei Drittel des benötigten Volumens durch Kostensenkungen hereingebracht würden, sei eine Sanierung zum Scheitern verurteilt, sagte Kaufmann in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Leitl.
Und wo haben die Schweizer gespart? Es habe ein ganzes Bündel an Maßnahmen gegeben, sagte Kaufmann. Größere Einsparungen habe man etwa bei den Ausgaben für Landesverteidigung und Landwirtschaft erzielt. Bildung und Forschung seien von den Sparmaßnahmen ausgenommen worden. Das effektive Pensionsantrittsalter liegt in der Schweiz übrigens um fünf Jahre über dem österreichischen (bei 63 Jahren), obwohl das gesetzliche Antrittsalter (65 für Männer, 63 für Frauen) nicht wesentlich abweicht. Auch das bringe große Einsparungen.
Eigentlich, so Kaufmann, sei die Sache sehr einfach. Man müsse nur zwei Dinge beachten: Erstens müsse man akzeptieren, dass auch ein Staat auf Dauer nicht mehr ausgeben als einnehmen kann. Und zweitens müsse das Sparziel weitgehend auf der Ausgabenseite erreicht werden.
„Gehen wir es auch bei uns an“, meinte Leitl dazu. Fünf Prozent Einsparung bei Bund, Ländern und Gemeinden müssten ohne Steuererhöhungen drin sein. Und das wäre schon eine gewaltige Entlastung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2012)