Ungarn sucht Fürsprache in Österreich

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Der für IWF-Gespräche zuständige Minister Tamás Fellegi besucht nächste Woche OeNB-Gouverneur Nowotny und Finanzministerin Fekter. Die österreichische Seite demonstriert Skepsis.

Budapest/Wien. Tamás Fellegi ist ein viel beschäftigter Mann. Der Minister ohne Portfolio und Viktor Orbáns Handlungsreisender in Sachen Geld pendelt seit Wochen zwischen Europa und Nordamerika, um internationale Financiers davon zu überzeugen, dem in budgetäre Schieflage geratenen Ungarn eine Kreditlinie zu gewähren.

Fellegis Zeitplan ist dicht: Momentan verhandelt er in Washington mit Vertretern des Internationalen Währungsfonds, Anfang kommender Woche stehen Treffen mit der deutschen Bundesregierung in Berlin und der Spitze der Europäischen Zentralbank in Frankfurt auf dem Programm, und am 20.Jänner wird Fellegi in Brüssel erwartet, wo es (unter anderem) um die Mitwirkung der Union an einem eventuellen Hilfskredit für Ungarn gehen soll.

Auf seinem Weg in die EU-Hauptstadt legt Ungarns Chefverhandler einen Zwischenstopp in Österreich ein: Am 19. Jänner wird Fellegi in Wien mit Finanzministerin Maria Fekter und Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny zusammenkommen – „zu Gesprächen, und nicht zu Verhandlungen“, wie die ungarische Botschaft betont.

Über die Themen, die bei diesen Gesprächen auf der Agenda stehen sollen, hüllt sich die österreichische Seite in tiefes Schweigen. „Wir kommentieren den Terminplan des Gouverneurs nicht“, lautete am Donnerstag die knappe Auskunft der OeNB. Auch das Finanzministerium möchte in der Angelegenheit den Ball möglichst flach halten und „pompöse mediale Begleitmusik vermeiden“, wie es Pressesprecher Harald Waiglein formuliert.

„Akzeptieren keine Vorverurteilung“

Angesichts der zuletzt wieder etwas konzilianteren Tonlage in Budapest dürfte es bei dem Blitzbesuch in Wien wohl vor allem darum gehen, um Verständnis für die ungarische Gesetzgebung im Allgemeinen und die Reform des Notenbankgesetzes im Speziellen zu werben – sowie um Unterstützung bei den Verhandlungen mit dem IWF.

Die ungarische Regierung geht dabei koordiniert vor: Während Regierungschef Viktor Orbán jüngst Verhandlungsbereitschaft in Sachen Notenbank signalisierte, schrieb Außenminister János Martonyi am 6. Jänner einen Brief an alle EU-Regierungen, in dem er die Reformen als längst überfälligen Abschluss des postkommunistischen Transformationsprozesses verteidigte und die Einhaltung aller Rechtsnormen garantierte. „Was wir aber auf keinen Fall akzeptieren können, ist eine Vorverurteilung Ungarns“, heißt es in dem von der „Financial Times“ in Auszügen publizierten Schreiben. Fellegis Visite in Wien signalisiert auch, dass Budapest bemüht ist, das durch das ungarische Belastungspaket für die (vor allem österreichischen) Banken des Landes – Stichwort Zwangskonvertierung der Frankenkredite und Bankensondersteuer – beschädigte Verhältnis zu Wien wieder zu reparieren. „Wir sehen Österreich als bedeutendes Land in der Eurozone und möchten die ohnehin guten Beziehungen weiter verbessern“, betont Vince Szalay-Bobrovniczky, der ungarische Botschafter in Wien.

„Was's wiegt, das hat's“

Ob die österreichische Seite diese Sicht der Dinge teilt, bleibt abzuwarten – im Finanzministerium zeigte man sich gestern jedenfalls demonstrativ nüchtern bis skeptisch: „Die Beziehungen sind zuletzt ramponiert worden. Wir sehen die Angelegenheit pragmatisch: Was's wiegt, das hat's“, sagt Waiglein. Und was die ungarischen Gesetzesreformen anbelangt, sei jetzt ohnehin die Europäische Union am Zug.

Die EU-Kommission will bis zum 17.Jänner darüber entscheiden, ob die umstrittenen Verfassungsgesetze gegen europäisches Recht verstoßen. Neben der potenziellen Gefahr einer Einflussnahme der Regierung auf die Notenbank hat Brüssel Bedenken wegen möglicher Beschneidung der Unabhängigkeit von Richtern angemeldet. Zudem droht Ungarn an einer Brüsseler Nebenfront das Einfrieren der Zuschüsse aus dem EU-Kohäsionsfonds wegen zu hoher Budgetdefizite.

Die Finanzierungslücke, die Budapest heuer noch schließen muss, beträgt je nach Schätzung zwischen fünf und 15 Milliarden Euro. Nachdem die Kreditwürdigkeit Ungarns von allen drei Ratingagenturen auf das Ramschniveau herabgesetzt wurde, kommen die Anleihenmärkte als Geldquelle nicht infrage: Zwar sind die Zinsen, die Ungarn Investoren bieten muss, zuletzt leicht gesunken – doch angesichts durchschnittlicher Renditen von derzeit mehr als neun Prozent kann sich Ungarn auf diese Weise nicht nachhaltig finanzieren.

Auf einen Blick

Tamás Fellegi, ungarischer Minister ohne Portfolio und Leiter der Kreditverhandlungen mit IWF und EU, stattet Wien am kommenden Donnerstag eine Kurzvisite ab. Auf dem Programm stehen Gespräche mit Finanzministerin Maria Fekter und OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny. Davor besucht Fellegi die deutsche Bundesregierung in Berlin und die Spitze der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Die ungarische Regierung hofft auf einen internationalen Hilfskredit, um eine eventuelle Zahlungsunfähigkeit des Landes zu verhindern. EU und IWF wollen aber erst verhandeln, wenn Budapest seine umstrittene Reform der Notenbank zurücknimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2012)

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