Kreuz und quer durchs Mittelmeer

Dank der Umwälzungen in Nordafrika laufen die Kreuzfahrtschiffe – speziell der italienischen Reedereien – neue Häfen im Mittelmeer an.

INFO

Warum nur ist das Mittelmeer auf den gemütlichen, deutschsprachigen Kreuzfahrtschiffen nie mehr als ein Lückenfüller für die Herbst- und Frühjahrssaison? Ganz einfach: Weil sie überwiegend in Deutschlands Norden bereedert und geroutet werden. Die 80 Millionen Deutschen –  einmal abgesehen von den „Südpreußen“ in Bayern und Baden-Württemberg – füllen zuverlässig jene Schiffe, die von deutschen Häfen abfahren – kaum ein Germane nimmt den Flug, die Bus- oder Bahnreise nach Venedig oder Genua in Kauf.

Bei der italienischen Großreederei Costa schaut das zum Glück anders aus. Sie bedienen die Routen von Istanbul bis Gibraltar, von Triest bis Alexandria nicht nur fast lückenlos, sondern auch ganzjährig. Dabei hat der Seebär den Eindruck, dass seit einem Jahr eine Art Tsunami im Mittelmeer hin- und herschwappt. Der ist allerdings politischer Natur: Die Unruhen in Nordafrika, die schließlich auch auf andere arabische Staaten übergriffen, ließen bald die eine, dann wieder eine andere Küste zur „terra non grata“ werden.

Kaum, dass ägyptische Häfen im Frühjahr 2011 durch israelische ersetzt waren, gab es Bombenanschläge im Heiligen Land. Beirut, das über Jahrzehnte ein unberechenbares Pulverfass war, ist wieder aufgebaut und wird gern besucht. Tripolis hingegen und die Ausgrabungen von Leptis Magna sind nun wieder auf unbestimmte Zeit tabu, nachdem das Land gerade zu einem neuen Kreuzfahrtmagneten geworden war und selbst Diktator Gaddhafi eher als verschrobene Sehenswürdigkeit empfunden wurde, der man mit Briefmarkensätzen und Glorifizierungs-Armbanduhren huldigte.

Aber die Kreuzfahrtgesellschaften gäben die wichtigste Trumpfkarte ihrer Hotelbettenburgen preis, nutzten sie nicht den Vorteil des Standortes, der keiner ist. Kein anderes Hotel lässt sich aus dem Krisengebiet so locker herausmanövrieren! Und so findet man Mittel und neue Wege, wo man sie sonst vielleicht nie gesucht hätte.
Statt die Gäste von Bella Napoli einen teuren Bootsausflug buchen zu lassen, wirft die Costa Fascinosa den Anker direkt vor der Insel Capri. Mit dem „Capri Superjet“ geht’s zur Grotte, und Sigi aus Salzburg philosophiert an der Reling: „Derpackt der die Grotten in nuikommaacht Sekunden?“ Drinnen schallt hundertfacher Kunstgenuss, denn die Bootsführer demonstrieren die Akustik, indem alle gleichzeitig eine Arie schmettern. Jeder eine andere, eh klar. Nach acht Sekunden ist der Spuk vorbei. Sigi hat sich nur in der Kommastelle vertan.

Neue Zwischenstopps. Statt Mallorca steuert man nun gerne Menorca an, und eine Renaissance erlebt neuerdings der Tiefwasserhafen des zauberhaften Villefranche sur Mer. Einen Steinwurf östlich von Nizza ziehen sich die in Art-déco-Farben getünchten Häuser der Künstler und Lebenskünstler, die sich seit den 1930er-Jahren hier niedergelassen haben, einem Amphitheater gleich um die berggesäumte Bucht. Auf Sizilien sind auf einmal andere Häfen interessant als Messina und Palermo. Einige Schiffe ankern direkt in der Bucht von Naxos zwischen der Etna-Kulisse und Taormina, andere suchen neue Abenteuer in Catania, Trapani und Syrakus. Dass selbst in Palermo der Landgang mal ganz anders sein kann, zeigt ein Blick ins Ausflugsheft von Costa: „Mysterien von Palermo“ heißt eine Tour. Ihr Ziel ist die Kapuzinergruft, wo 400 Jahre lang wohlhabende Bürger bestattet wurden, indem man sie angezogen an der Wand aufstellte und an Haken aufhängte. Star der merkwürdigen, makabren Gesellschaft aus 2000 Mann ist „The sleeping Beauty“ – die schönste Mumie der Welt: die kleine Rosalia Lombardo, die mit ihrer Schleife im Blondhaar seit 1920 aussieht, als schliefe sie. „Catacombe Capuccini“ heisst dieser Geheimtipp für Hartgesottene, von dem jeder Taxifahrer weiß, dass es keine Kellerbar mit gutem Milchkaffee ist.

Ungewisse Zukunft am Nil. Wie sich Ägypten weiterentwickelt, weiß zum jetzigen Zeitpunkt keiner, nicht einmal Allah. Was eine Umkehr vom modernen islamischen Staat zurück zum Fundamentalismus bedeutet, zeigt der Iran seit über dreißig Jahren. Kreuzfahrt-Stammgäste erinnern sich freilich wehmütig an schöne Tage in Alexandria, die man statt mit dem fünzehn­stündigen Ausflug zum Defilee bei Sphinx und Gizeh-Pyramide auch in wunderschönen Caféhäusern zubringen konnte, während draußen ein weltstädtischer Generationenmix flanierte.

Die großen Schiffe haben es schwer. Wenn 4000 Passagiere eigentlich nach Alexandria sollten, dann kann man sie nicht über Nacht auf irgendeine winzige Insel ohne Infrastruktur umrouten. Das geht auch aus wirtschaftlichen Erwägungen schlecht: Der Verkauf eines breit gefächerten Landausflugsprogramms gehört zu den überlebensnotwendigen Nebeneinnahmen der Großreedereien.

Kleine Schiffe sind wendiger und damit flexibler. Zum Beispiel die „FTI Berlin“, die zu den wenigen Kreuzfahrtschiffen zählt, die das Nadelöhr am Isthmus von Korinth durchqueren können. Der enge Kanal mit seinen unerbittlich gemauerten Wänden würde selbst das jetzige ZDF-Traumschiff Deutschland schon nicht mehr durchlassen.
Die „FTI Berlin“ wird das einzige deutsche Schiff sein, das den ganzen Sommer über im östlichen Mittelmeer operiert, denn FTI will den Schiffsbetrieb mit der Belegung freier Hotel- und Flugkontingente koppeln.

Noch feiner raus sind solche Schiffe, die mit Expeditionsschlauchbooten ohne Weg und Steg anlanden können – empfiehlt sich eine Routenänderung, bleibt immer noch eine einsame Sandbucht mit Barbecue am Strand als beliebte Alternative. Die größte Horizont-Erweiterung aber hat die „Belle de l’Adriatique“: Der hochseetaugliche Küstencruiser für nur 200 Passagiere von CroisiEurope hat fünf Sommer an der Adria zugebracht – nun probiert er die griechischen Inseln und die türkische Küste aus und steckt sogar seine Nase in den Atlantik, um sich an einer Kanaren-Route zu versuchen.

Übrigens: Griechenland leidet kreuzfahrttouristisch nicht unter der Mittellosigkeit der Staatskasse und der EU-Krise – da sind 2000 Jahre Kultur wohl stärker als zehn Jahre Euro.

Seetour Austria/Ruefa, Dresdner Straße 81-85, 1200 Wien, 01/58 800-9610
Ferienmesse: Stand A0115, Halle A, www.seetour-austria.atwww.ruefa.at Seereisen Center, Siegelgasse 1, Top 1/2, A-1030 Wien 01/713 04 00
Ferienmesse: Stand A0526, Halle A www.seereisen-center.at

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