US-Regierung ließ Irans religiösem Führer eine persönliche Nachricht zukommen und warnte darin, die Straße von Hormuz zu sperren. Teheran ist durch Sanktionen und ein drohendes Ölembargo in die Defensive geraten.
Wien/Washington/Teheran. Die Warnung erging an den Statthalter Allahs höchstpersönlich: Sollte der Iran tatsächlich die Meerenge von Hormuz – eine der Lebensadern des globalen Ölhandels – wie angedroht sperren, dann wäre eine „rote Linie“ überschritten und mit einer amerikanischen Antwort zu rechnen. Diese Botschaft habe die US-Regierung dem obersten religiösen Führer Irans, Ayatollah Ali Khamenei, auf geheimen Kanälen zugeleitet, berichtet die „New York Times“ unter Berufung auf Washingtoner Regierungskreise.
Eine ähnliche Wortwahl war in den vergangenen Tagen zwar schon von einigen ranghohen US-Vertretern zu hören, dass man nun aber eine direkte Botschaft an Khamenei schickte – in allen wichtigen Entscheidungen die oberste Instanz im Iran – zeigt, wie ernst es den USA ist. Und wie wichtig es ihnen ist, dass man sich an höchster Stelle in Teheran über eins keine Illusionen macht: Eine Sperre der Straße von Hormuz würde Krieg bedeuten.
Am 27.12. hatte Irans Vizepräsident gedroht: Sollte der Westen den Iran mit einem Ölembargo belegen, dann würde kein Tropfen Öl mehr die Straße von Hormuz passieren. Derzeit sind es 17Mio. Barrel (159l) täglich, ein Fünftel des weltweit gehandelten Öls. Ein General legte wenig später nach: Die Meerenge zu sperren, sei für den Iran „leichter als ein Glas Wasser zu trinken“.
Kriegsspiele der iranischen Marine
Das verbale und militärische Muskelspiel hatte wenige Tage zuvor mit einem Manöver der iranischen Marine begonnen. Für Februar ist bereits das nächste angesagt, direkt in der Straße von Hormuz.
Warum die iranische Führung derzeit ziemlich nervös ist, ist leicht erklärt: Die vielfältigen, wegen des Atomprogramms gegen das Land verhängten Sanktionen – sei es im UN-Rahmen oder unilateral von EU und USA – zeigen langsam Wirkung: Der Iran hat immer größere Schwierigkeiten, seine Ölanlagen zu warten. Zudem fällt es dem Land durch die Maßnahmen gegen seinen Bankensektor immer schwerer, Geld für sein Öl überwiesen zu bekommen. Mit dem Hauptabnehmer China praktiziert Teheran teilweise bereits Tauschhandel. Und schließlich suchen immer mehr Staaten nach einer Alternative zu iranischem Öl: Die EU, wohin 18 Prozent davon fließen, diskutiert über ein Embargo, bereits Ende Jänner könnte ein Beschluss kommen. Und Großabnehmer Japan versprach den USA kürzlich, seine Importe aus Persien signifikant zu drosseln.
Irans „wirtschaftlicher Selbstmord“
Da Irans Wirtschaft und Staatseinnahmen am Öl-Tropf hängen, kann man die Mullahkratie hier empfindlich treffen. Aus genau diesem Grund hält man im Westen auch die Hormuz-Drohung für Theaterdonner: „Wir würden wirtschaftlich Selbstmord begehen“, zitierte die „Washington Post“ einen Beamten im Teheraner Ölministerium. Und man würde einen der letzten und wichtigsten Verbündeten auf der Weltbühne verärgern: Drei Viertel des durch die Straße von Hormuz transportierten Öls aus Saudiarabien, den Emiraten oder eben Iran, gehen nach Asien.
Doch schon allein die Drohung nützt dem Regime in Teheran gleich doppelt: Wie bestellt ging nach deren Aussprechen der Ölpreis in die Höhe. Und eine – wenn auch nur verbale – Konfrontation ist vor der Parlamentswahl im März dienlich für einen nationalen Schulterschluss rund um das konservative Lager. Dies gilt freilich auch umgekehrt: Mit einer harten Haltung gegenüber Teheran kann Obama Versuche der Republikaner ins Leere laufen lassen, ihn als außenpolitisch zu weich darzustellen.
Bei allen unmissverständlichen Drohungen, die zuletzt etwa US-Generalstabschef Martin Dempsey oder Verteidigungsminister Leon Panetta ausgestoßen haben, ist man sich trotz der drückenden militärischen Überlegenheit in Washington bewusst: Der Versuch, die Straße von Hormuz wieder zu öffnen, könnte mit herben Verlusten einhergehen. Immerhin verfügen Irans Revolutionsgarden über viele wendige Schnellboote und Anti-Schiffs-Raketen und die Meerenge begünstigt große Kriegsschiffe nicht: „Es wäre wie ein Messerkampf in einer Telefonzelle“, sagt ein US-Navy-Offizier der „New York Times“.
An einer tatsächlichen Eskalation dürfte also keiner der beiden Seiten gelegen sein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2012)