2011 brachte stärkste Teuerung seit 18 Jahren

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Symbolbild(c) REUTERS (PASCAL LAUENER)
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Benzin, Mieten, Essen: Fast alles wird teurer. Aber gerade weil das Jahr 2011 ein Rekordjahr war, wird 2012 wohl Entspannung bringen. Die offizielle Inflationsrate wird von den Statistikern nach unten „adaptiert“.

Wien/Jil. Im Jahr 1993 zog Bill Clinton ins Weiße Haus ein und Österreich nahm unter dem SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky die Beitrittsverhandlungen mit der EU auf. Die Inflationsrate lag bei 3,6 Prozent. Im Jahr 2011, drei Jahre nachdem der Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers den Ausbruch der schwersten Krise seit Jahrzehnten markierte, steht die Inflationsrate in Österreich wieder fast so hoch wie damals: bei 3,3 Prozent. Der international besser vergleichbare harmonisierte Verbraucherpreisindex liegt für das Jahr 2011 sogar bei 3,6 Prozent.

Allerdings: Nachdem die Teuerung im vergangenen Jahr kontinuierlich angestiegen war, ist sie im letzten Monat des Jahres gefallen. Von 3,4 Prozent im Oktober und 3,6 Prozent im November auf „nur“ 3,2 Prozent im Dezember.

„Basiseffekte“ helfen 2012

Im ganzen Jahr 2011 lag die Inflationsrate jedenfalls deutlich über den von der Europäischen Zentralbank (EZB) als Zielwert genannten zwei Prozent. Im gesamten Euroraum war man diesem Ziel 2011 zwar näher, Österreich lag aber deutlich über den Durchschnittswerten. „Ein Erklärungsansatz ist vielleicht der, dass wir beim stärksten Preistreiberfaktor, nämlich bei den Spritpreisen, in der Vergangenheit unter dem Niveau unserer Nachbarstaaten gelegen sind“, sagte der Generaldirektor der Statistik Austria, Konrad Pesendorfer, am Montag. Die Bemessungsgrundlage bestimmt also, wie hoch die relative Preissteigerung ausfällt.

„Statistischer Basiseffekt“ heißt das in der Fachsprache. Dieser „Basiseffekt“ ist auch der Grund dafür, warum die Statistik Austria für 2012 einen Rückgang der Teuerung erwartet. Weil das Jahr 2011 besonders starke Preisschübe gebracht hat, werden steigende Preise 2012 im Jahresvergleich keine allzu dramatische Inflationsrate produzieren. Die Bank Austria geht in einer Prognose sogar von einer Entwicklung der Teuerungsrate auf 2,2 Prozent aus. Das heißt aber keineswegs, dass das Leben billiger wird. Das zeigt schon ein Blick auf die „speziellen“ Warenkörbe, die von der Statistik Austria berechnet werden. Der Mikrowarenkorb, der vor allem Lebensmittel enthält, ist 2011 um 3,8 Prozent teurer geworden. Der Miniwarenkorb, der Lebensmittel- und Treibstoffpreise berücksichtigt, um 6,7 Prozent. Und der Pkw-Preisindex, der die Kosten der Autofahrer misst, um 5,8 Prozent.

Einzig die von Bundes- und Landesregierungen festgesetzten Preise (Gebühren etc.) haben sich an die Vorgabe der EZB gehalten und sind nur um zwei Prozent gestiegen. Die jüngsten Gebührenerhöhungen auf breiter Front in Wien sind in diesem Index aber noch nicht berücksichtigt. Generell sind Inflationszahlen mit Vorsicht zu genießen. Per Definition handelt es sich um Durchschnittswerte. Jeder einzelne Mensch hat aber eigentlich seine eigene Inflationsrate, je nachdem welche Produkte er kauft. Die offizielle Inflationsrate ist zwar informativ, aber auch von enormer politischer Bedeutung – weshalb sie teilweise nach einem eigenartig anmutenden Konzept berechnet wird.

Hedonische Adaptierungen

Während Öl und Treibstoffe aufgrund der Preisentwicklung am Weltmarkt als „Preistreiber“ gelten, übernehmen Elektronikgeräte wie Notebooks oder Digitalkameras meist die Rolle der „Preisdämpfer“. So wurde im Dezember ein Preisverfall bei Notebooks von 16 Prozent verbucht. Das funktioniert nur dank der sogenannten „hedonischen Preiskalkulation“. Die Idee: Weil Computer ständig mit schnelleren Prozessoren und größeren Festplatten als ihre Vorgängermodelle ausgestattet werden, verbessern sie auch die „Lebensqualität“ der Käufer. Diese Verbesserung der Lebensqualität wird von den Experten der Statistik Austria geschätzt und dem eigentlichen Kaufpreis abgezogen.



„Computer und Elektronikgeräte sind ein Bereich, in dem wir ganz massiv sogenannte Qualitätsadaptierungen durchführen“, sagte Statistik-Austria-Volkswirt Josef Auer am Montag. Der Effekt: Obwohl die Preise am Elektronikmarkt nicht merklich fallen, werden Computer in der Statistik als Preisdämpfer verbucht, weil die Kunden für gleich viel Geld mehr Leistung bekommen. Das mag sinnvoll sein aus der Perspektive der Statistiker – aber nicht aus jener der Konsumenten. Würde man auf die hedonische Berechnung von Computerpreisen verzichten, wäre die offizielle Inflationsrate wohl eher in der Gegend des Miniwarenkorbes zu finden: Einzig die Tomaten legten im Dezember auch ohne mehr Speicherplatz und „Qualitätsadaptierungen“ eine Talfahrt hin: Die rote Frucht verbilligte sich um ganze 16 Prozent.

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