Swoboda: „EU muss stärker zusammenwachsen, oder sie zerfällt“

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Der neue SP-Fraktionsvorsitzende Hannes Swoboda fordert eine politische Union und ein EU-Bekenntnis der Regierung.

Die Presse: Sie wurden heute zum Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten gewählt. Was bringen Sie für diese Position mit?

Hannes Swoboda: Einerseits natürlich die Erfahrung. Ich war mehrere Jahre in verschiedenen Funktionen im Europaparlament tätig. Zum zweiten meine Eigenschaft, Leute zusammenzubringen – gerade in so einer großen Fraktion ist das wichtig, wo es natürlich viele Mitglieder mit unterschiedlichen Vorstellungen gibt. Drittens bin ich Ökonom, und in Zeiten der Krise ist es wichtig, sich sehr stark mit wirtschaftlichen Themen auseinanderzusetzen.

Auf welche Themen werden Sie sich konzentrieren?

Zum einen natürlich die wirtschaftliche Lage und die Krise, zum anderen die demokratische Entwicklung, die ja derzeit in Ungarn sehr unerfreulich ist.

Wird sich die Rolle des Parlaments unter der Präsidentschaft Ihres Vorgängers Martin Schulz verändern?

Er wird ein sehr starker Präsident sein. Regierungschefs und Kommission werden vom Parlament künftig jedenfalls mehr hören.

Sollte es aus sozialdemokratischer Sicht als Reaktion auf die Krise zu einem engeren Zusammenrücken der EU-Länder, einer Politischen Union, kommen?

Absolut. Es gibt die Notwendigkeit, dass Europa zusammenwächst. Die wirtschaftlichen Probleme eines Landes haben auch Auswirkungen auf ein anderes – wie man gerade jetzt am Beispiel Österreichs mit Ungarn sieht. Die Illusion, dass dem nicht so sei, ist Unsinn. Europa muss stärker zusammenwachsen, oder es zerfällt.

Müsste es für eine politische Union eine Volksabstimmung geben, wie das die SPÖ-Führung versprochen hat?

Das muss jeder Mitgliedstaat für sich entscheiden. Im Fall einer Abstimmung müsste man den Leuten aber klarmachen: Die positiv entscheidenden Staaten werden ein starkes Europa bilden, die anderen werden isolierter sein. Zu glauben, man kann einfach so weitermachen wie bisher, ist eine Illusion.

Sollten die beiden größten Fraktionen, Konservative und Sozialdemokraten, in Zeiten der Krise enger kooperieren?

Man muss beides tun: Zusammenarbeiten, aber auch Alternativen aufzeigen. Ich bin ein Gegner des Verwischens von inhaltlichen Vorstellungen. Wir brauchen gemeinsame Handlungen, jedoch ist unsere Vorstellung von einem sozial gerechten, demokratischen Europa eine andere, als die der EVP (Europäische Volkspartei, Anm.).

Die österreichische Bundesregierung tritt auf europäischer Ebene kaum in Erscheinung. Wünschen Sie sich nicht manchmal mehr Unterstützung?

Es geht nicht um Unterstützung, es geht um ein Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa und um ein aktives Handeln. Auch unsere Differenzen zur sehr konservativen deutschen Europapolitik müssen schärfere Konturen gewinnen.

Der Fiskalpakt hat seine Zähne verloren, Schuldenbremsen müssen nicht mehr in der Verfassung verankert sein, die Kommission hat kein Klagerecht gegen Defizitsünder...

Der Fiskalpakt ist ein irrelevanter, fehlkonstruierter Pakt, der nichts bringt. Er ist nur eine Erfindung der Frau Merkel, um die Gemüter zu Hause zu beruhigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2012)

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