Kodak: Vom Weltkonzern zum Sanierungsfall

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Die US-Firma Kodak sitzt auf einem 6,75 Milliarden Dollar schweren Schuldenberg. Der Crash der Firma hatte sich schon vor Monaten abgezeichnet. Im Oktober warnte Kodak, dass der Absturz bevorstehe.

Wien/Stef. Man könnte es eine Ironie der Geschichte nennen: 1975 baute der US-Konzern Kodak, damals noch unumstrittener Weltmarktführer bei Fotoapparaten und -filmen, eine der ersten Digitalkameras. 37 Jahre später ist Kodak pleite. Vor allem, weil das Unternehmen die Entwicklung des digitalen Fotomarkts völlig verschlafen hat.

Der Crash der prestigeträchtigen Firma hatte sich schon vor Monaten abgezeichnet. Im Oktober warnte Kodak, dass der Absturz bevorstehe. Man wolle das „Tafelsilber“, mehr als 1000 Patente, verkaufen, um fällige Verbindlichkeiten bedienen zu können, teilte das Management mit. Der Plan schlug fehl, der Verkauf scheiterte, und am Donnerstag war es schließlich so weit: Das Traditionsunternehmen meldete in New York die Insolvenz nach Chapter 11 an.

Völlig zu Ende ist die Geschichte von Kodak dadurch nicht notwendigerweise. Unter der US-Insolvenz nach Chapter 11 wird der Firma die Chance gegeben, sich neu aufzustellen. Die Gläubiger müssen auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, gerade deswegen kommen Firmen, die unter Chapter11 reorganisiert wurden, in vielen Fällen stärker als zuvor zurück. Auch die Autokonzerne General Motors und Chrysler meldeten 2009 die Insolvenz an und erholten sich danach zumindest zum Teil. Gleiches plant nun auch Kodak.

Technologische Entwicklung verschlafen

Ob der Plan aufgehen wird, ist allerdings ungewiss. Einem Vermögen von 5,1 Mrd. Dollar (vier Mrd. Euro) stehen Verbindlichkeiten in Höhe von 6,75 Mrd. Euro gegenüber. Die Aktie des Unternehmens setzte am Donnerstag ihre Talfahrt der vergangenen Monate fort, verlor 40 Prozent ihres Wertes und notierte bei 18 Cent. Vor einem Jahr war das Kodak-Papier noch vier Euro wert.

Der Grund, warum viele Experten nicht an ein Comeback von Kodak glauben: Anders als Wettbewerber wie Canon oder Nikon hat die Firma die technologische Entwicklung verschlafen – ein Rückstand, der nur schwer wieder aufzuholen ist. Auch wenn Kodak die erste Digitalkamera gebaut hat, ist der US-Konzern längst von den japanischen Konkurrenten überflügelt worden, die modernere Digitalkameras auf den Markt gebracht haben. Außerdem verwenden viele Hobbyfotografen ohnehin nur noch ihr Apple-iPhone zum Fotografieren.

Der größte strategische Fehler, den Kodak begangen hat, liegt wohl darin, dass das Management um die Jahrtausendwende seine Kunden befragte – und auf sie hörte. „Man versucht nicht, die Kunden zu ändern. Man lässt sie erzählen, was sie wollen“, sagte 2001 Brian Marks, der oberste Kundenbetreuer von Kodak, nachdem sich die Befragten eher skeptisch zu Digitalkameras geäußert hatten. Dass Marks unrecht hatte, bewies ein gewisser Steve Jobs: „Es ist nicht die Aufgabe der Verbraucher, zu wissen, was sie wollen“, erklärte der Apple-Gründer und erfand das iPhone, das heute die klassische Kodak-Kamera längst ersetzt hat.

Von der Insolvenz der in Rochester im Bundesstaat New York angesiedelten Firma sind 19.000 Mitarbeiter betroffen. Wie viele von ihnen ihren Job verlieren, wird davon abhängen, ob es Kodak gelingen wird, sich nach der Reorganisierung auf dem umkämpften Markt für Drucker durchzusetzen. Firmenchef Antonio Perez war vor sechs Jahren von Hewlett-Packard geholt worden, um im Druckergeschäft neue Standards zu setzen.

Einst eine der fünf wertvollsten Marken

Bisher ohne Erfolg. Seitdem Perez sein Amt antrat, setzte es stets Verluste. Allein im dritten Quartal des Vorjahres belief sich das Minus auf 222 Mio. Dollar. An der Börse war Kodak einst mehr als 30 Mrd. Dollar wert – ein Betrag, der bis Donnerstagnachmittag auf weniger als 120 Mio. Dollar schrumpfte. Noch in den 1990er-Jahren zählte Kodak zu den fünf wertvollsten Marken der Welt – eine Ehre, die dem Unternehmen schon lange nicht mehr zuteil wird.

„Sie drücken auf den Knopf, wir erledigen den Rest“, war einst der Werbespruch des 1881 gegründeten Konzerns. Nun drückte das Management den Notschalter und meldete die Insolvenz an. Ein bedeutendes Kapitel der Fotogeschichte findet damit zumindest vorläufig sein Ende.

Auf einen Blick

1881 gründete der Erfinder George Eastman im US-Bundesstaat New York die „Eastman Dry Plate Company“, 1892 taufte er die Firma auf Kodak um. 90 Prozent aller Filme und 85 Prozent aller Kameras wurden in den 1970er-Jahren in den USA von Kodak verkauft. 1988 beschäftigte die Traditionsfirma 145.000 Mitarbeiter. Mit der Vermarktung von Digitalkameras gegen Ende der 1990er-Jahre begann die Talfahrt. Am Donnerstag meldete das Management schließlich die Insolvenz an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2012)

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