Mölzer und Obermayr. Fraktionslose Mandatare haben so gut wie keinen Einfluss auf die EU-Gesetzgebung. Ihnen bleiben nur Reden und Anträge.
Brüssel. Vor einiger Zeit wurde Andreas Mölzer, Europaabgeordneter der FPÖ, in einem der allseits beliebten „Fleiß-Rankings“ als faulster Mandatar Österreichs gebrandmarkt. Der politische Gegner nahm das schadenfroh auf, Mölzer klagte, und die Angelegenheit landete im Herbst 2010 vor dem Oberlandesgericht Wien. Das befand: Ja, man darf Mölzer so nennen.
Damit so etwas nicht mehr passiert, gibt sich der 59-jährige Leobener in seinem zweiten Mandat seit Sommer 2009 besonders viel Mühe. 743-mal meldete er sich seither im Plenum zu Wort. Nur fünf andere EU-Mandatare hielten mehr Reden, zeigt die Statistik Votewatch.eu. Noch weiter oben rangiert er unter dem Gesichtspunkt der Änderungsanträge zu Gesetzesvorhaben: 124 Anträge bringen Mölzer derzeit Rang vier ein. Und auch sieben (großteils erfolglose) Anträge darauf, dass das Parlament eine Entschließung verabschieden solle, hat er gestellt. Dreimal ging es ihm um die Beendigung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sowie je einmal um irreführende Verpackung, Atomkraftwerke in Erdbebenregionen, die Grenzschutzagentur Frontex sowie die Verurteilung der Tötung Osama bin Ladens durch US-Soldaten. „EU-Parlaments-Homepage bestätigt: Andreas Mölzer ist der fleißigste österreichische EU-Parlamentarier“, kann er nun als Lohn der Fron auf seiner Website verkünden.
Ähnlich emsig ist Mölzers Parteikollege, Franz Obermayr. Der 59-Jährige sitzt erstmals im Europaparlament und hält mit 433 Wortmeldungen Rang 20 auf der Liste der eifrigsten Redner.
„Diese Leute haben keinen Einfluss“
Das klingt beeindruckend. Aber hat das Tun von Mölzer und Obermayr auch einen messbaren Einfluss auf die EU-Gesetze? Kaum, sagt Piotr Kaczyński vom Brüsseler Forschungsinstitut Centre for European Policy Studies zur „Presse“. Denn als fraktionslose Abgeordnete werden die beiden FPÖ-Männer nie Berichterstatter für Gesetzesentwürfe, die im institutionellen Pingpongspiel zwischen Rat, Kommission und Parlament zu europäischem Recht werden. „Diese Leute haben keine Macht, keinen Einfluss auf die Gesetzgebung. Reden im Plenum haben praktisch keine Wirkung, keine Zuhörerschaft. Die betreffenden Abgeordneten halten sie nur, um sie statistisch verbuchen zu können“, sagt Kaczyński.
Mölzer hält diesem Argument stets entgegen, dass seine Einwände in den Ausschussdebatten anekdotisch sehr wohl im Beschluss der Mehrheit aufgenommen werden. Dass fraktionslose Mandatare nicht Berichterstatter werden können, hält er für eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Klagen will er dagegen aber auch nicht. Der Politologe Kaczyński hat wenig Verständnis: „Als Politiker sollte man sich nie über das System beschweren. Es ist die eigene Entscheidung der Fraktionslosen, fraktionslos zu sein. Niemand hält sie davon ab, sich einer politischen Gruppe anzuschließen – und im Europaparlament gibt es eine breite Auswahl, von ganz rechts bis ganz links.“
Die FPÖ-Mandatare bleiben allein
Mölzer und Obermayer bleiben dennoch allein. Erst neulich gab es ein Treffen mit Nigel Farage, dem Führer von „Europa der Freiheiten und der Demokratie“ (EDF). Diese Fraktion eint die dänische Volkspartei, die italienische Lega Nord und die United Kingdom Independence Party (Ukip). Man habe die Ideen der FPÖ vorgestellt, sagte Mölzers Sprecher am Freitag zur „Presse“. „Das hat aber weder zu einem Beitrittsansuchen unsererseits noch zu einer Einladung zum Beitritt seitens der EDF geführt.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2012)