Wie man einen Skandal entsorgt

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Vertuschung erfolglos: Die seit Wochen in der Slowakei kursierenden Abhörprotokolle über ein Korruptionsnetz sind offenbar echt.

Bratislava. Der Verdacht ist schon lange im Raum gestanden, doch jetzt gibt es einen kaum zu widerlegenden Beweis: Das Euroland Slowakei wurde offenbar jahrelang von einem Netzwerk aus korrupten Politikern und mächtigen Finanzjongleuren beherrscht. Und es gibt wenig Anlass zum Optimismus, dass die Gegenwart sehr viel rosiger ist. Denn bis heute haben in Wirtschaft und Politik jene Eliten den größten Einfluss, die jetzt durch brisante Geheimdienstprotokolle entlarvt werden.

Der 38 Jahre junge und ehrgeizige Innenminister Daniel Lipšic von der konservativen Kleinpartei KDH zeigt sich wild entschlossen, den seit Jahrzehnten herrschenden Korruptionsfilz aufzubrechen. Seine wichtigste Verbündete ist ausgerechnet Noch-Premierministerin Iveta Radičová, die sich damit gegen ihre schwer belastete eigene Partei stellt. Wie „Die Presse“ berichtete, kursierten unter dem Codenamen „Gorilla“ seit Weihnachten mutmaßliche Abhörprotokolle aus dem Jahr 2006 im Internet. Sie sollen konspirative Treffen von Regierungsmitgliedern und Mittelsleuten der vom heutigen Außenminister Mikuláš Dzurinda geführten Mitte-rechts-Koalition mit den Chefs der in Medien wegen ihrer wenig zimperlichen Arbeitsmethoden als „Haie“ titulierten Finanzgruppe Penta belegen.

Auch Minister involviert

Der Inlandsgeheimdienst SIS hörte in der zweiten Amtszeit Dzurindas als Premier (2002–2006) mit Zustimmung eines Gerichts eine Wohnung der Finanzgruppe Penta ab. Dort trafen sich laut den Protokollen Mittelsmänner der Regierung und Spitzenpolitiker wie der damalige Wirtschaftsminister Jirko Malchárek persönlich mit den Penta-Chefs, um die wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Regierung so zu steuern, dass möglichst viel Geld in die eigenen Taschen abgezweigt werden konnte.

Was Innenminister Lipšic bisher gefehlt hat, war ein stichhaltiger Beweis für die Echtheit der Protokolle. Jetzt hat er ihn: Der Geheimdienst übergab nämlich die Aufzeichnungen der legal von einem Gericht bewilligten Abhörungen vorschriftsgemäß dem damaligen Premier – also Dzurinda. Der aber habe, wie ihm Lipšic nun vorwirft, das vor allem die eigene Partei belastende Material einfach ins Archiv entsorgt, statt Ermittlungen zu veranlassen. Aus diesem Archiv habe es nun Dzurindas Nachnachfolgerin Radičová, die pikanterweise zur selben Partei gehört, wieder heraussuchen lassen und den Ermittlern übergeben, verkündete Lipšic triumphierend.

Originalbänder vernichtet

Eine weitere Dimension des Riesenskandals ist, dass die Protokolle nicht zum ersten Mal bei den Ermittlungsorganen landen. Denn neben Dzurinda waren auch dessen damaliger Innenminister Martin Pado und das Amt zur Bekämpfung der Korruption schon 2006 Empfänger der Geheimdienstpost. Die haben das heiße Material aber nicht nur zu den Akten gelegt, sondern nach zweijähriger Frist im Jahr 2008 sogar vernichtet.

Diese Vernichtung wertvollen Beweismaterials sei gesetzeswidrig gewesen, empört sich Lipšic und will die damals Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Im Unterschied zu den erhalten gebliebenen Protokollen dürften aber die originalen Tonbandaufzeichnungen für immer verloren sein, sie wurden wohl vom Geheimdienst selbst vernichtet. Auch deshalb gilt vorerst die Unschuldsvermutung für alle in den Protokollen Erwähnten, weil noch kein einziger Verdächtigter vor Gericht steht oder gar rechtskräftig verurteilt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2012)

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