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Leonard Bernsteins Lob auf das einfache Leben

Symbolbild
(c) APA (BARBARA GINDL)
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Leonard Bernsteins geniale Comic Operetta „Candide“ in der Volksoper Wien, konzertant mit Zwischentexten von Loriot, gelesen von Direktor Robert Meyer: die beste aller möglichen musikalischen Unterhaltungen.

„Noch Fragen?“ Dieser letzte augenzwinkernde Einwurf des Erzählers stammt nicht von Loriot, sondern steht schon in der Partitur – und fasst gemeinsam mit den nochmals hymnisch sich aufschwingenden Schlusstakten des Orchesters Leonard Bernsteins ganzen „Candide“ zusammen: als schlicht hinreißende Verquickung von Tiefgang und Unterhaltung, von großer Oper, Operette und Musical, von Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung.

Zum bewegenden Finale, nach Tangofeuer, Walzerwirbeln, Polkaspäßen, Barkarolengeschaukel, nach Koloratur- und Trauerarien, spritzigen Ensembles, Schlachten-, Autodafészenen und vielem mehr, erklingt da ein Oratorium – nicht etwa zur höheren Ehre Gottes, sondern als Lobpreis auf das einfache Leben, das doch so schwer zu führen ist. Ein biedermeierlicher Rückzug? Nein, vielmehr die Besinnung darauf, dass das Dasein nur erträglich werden kann, wenn wir selbst das Gute im Kleinen beginnen, liebend und vertrauend, hier und jetzt. Dann erst vermag die beste aller möglichen Welten, in der wir laut Leibnitz leben, ihr volles Potenzial zu entfalten. So die Conclusio des Stücks, das auf dem satirischen Roman „Candide“ (1759) beruht, in dem sich der begnadete Spötter Voltaire kräftig über den frommen Leibnitz lustig macht, der das existierende Übel für unvermeidlich hielt: Mehr war gewissermaßen nicht drin, auch nicht für Gott.

1956 brachte Bernstein „Candide“ als wortwitzgewaltige „Comic Operetta“ auf die Bühne – eine völlig verrückte Idee, deren Genialität musikalisch spätestens seit der 1989 erarbeiteten definitiven Fassung begreifbar wird: Nirgends ist kompositorischer Eklektizismus origineller – und nirgends vergnüglicher. Auch wenn sich einst schon Marcel Prawy große Verdienste um das Stück erworben hat und die Produktion der Neuen Oper Wien 2000/01 unter Walter Kobéra (Regie: Leonard Prinsloo) noch in bester Erinnerung ist: Szenisch „erlöst“ wurde das Stück, als Loriot Zwischentexte für konzertante Aufführungen verfasste und damit erneut bewies, dass eine von ihm erzählte Handlung unterhaltsamer sein kann als diese selbst.

Eine charmante Kunigunde

In der Wiener Volksoper trägt sie Robert Meyer vor, wo „Candide“ in dieser Form derzeit Herz wie Hirn erfreut und deshalb verdiente Jubelstürme erntet. Meyer mag als Rezitator absichtsvoller auf die Pointen zielen als einst deren Schöpfer selbst, aber er findet einen eigenen Ton und kann als Direktor auf ein hochwertiges, bis in kleine Rollen gut besetztes Ensemble verweisen, dessen Sing- und Spielfreude (ganz ohne Theater geht es auch im Konzert nicht) direkt aufs Publikum überspringt: Wenn auch nicht jede Koloratur ebenmäßig funkeln wollte, ist Jennifer O'Loughlin als charmante Cunégonde doch um keinen hohen Ton verlegen und gibt mit dem gestandenen Weibsbild Kim Criswell (Old Lady) ein köstliches Damenduo ab, an dessen Seite der hörbar britische Candide des Stephen Chaundry mimisch die nötige Naivität simulieren kann und ausnehmend schön phrasiert, wenn er auch gesanglich um Nuancen zu intellektuell wirken mag. Dazu u. a. Morten Frank Larsen als passend polternder Pangloss/Martin, Steven Scheschareg als kerniger Maximilian/Captain, Otoniel Gonzaga als heldisch-imposanter Governor.

Am Pult schien Joseph R. Olefirowicz da und dort zu viel zu wollen, forcierte manche Tempi, wich der unbestreitbaren und gerade deshalb ja reizvollen Nähe zur veritablen Oper teils allzu weiträumig aus, sorgte aber für einen reibungslosen Ablauf. Auf den tadellosen Chor und das wendige Orchester der Volksoper ist Verlass – vielleicht wird es sogar noch prickelnd.

Noch am 24., 26., 29.1., 19 Uhr.