Totalumbau der Wiener Justiz "unausgegoren"

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Das Justizministerium und die Bezirksrichter lehnt eine Zentralisierung im Strafrecht ab. Das Straflandesgericht sollte nach dem Wunsch seines Präsidenten zu einem Zentrum für alle Strafrechtsbelange werden.

Der Wunsch des Präsidenten des Wiener Straflandesgerichts, Friedrich Forsthuber, nach einer Zentralisierung der Strafrechtspflege in seinem Haus stößt auf wenig Gegenliebe. Im Justizministerium spricht man von einem "internen, sehr unausgegorenen Vorschlag", sagte der Leiter der Strafrechtssektion, Christian Pilnacek. Auch die Bezirksrichter lehnen den Vorschlag ab.

Fortshuber strebt den Ausbau des Grauen Hauses an, um sämtliche Strafsachen - also auch jene auf bezirksgerichtlicher Ebene - an einem Ort zu bündeln. "Das ist Wunschdenken des Präsidenten", sagte Pilnacek. Dessen Vorschlag sei "weder mit der Standesvertretung noch mit dem Bundesministerium für Justiz abgesprochen". Die bezirksgerichtliche Strafrechtspflege in Wien abzuschaffen, "würde ohne legistische Begleitmaßnahmen nicht gehen. Es kann nicht so sein, dass es in Wien eine eine Gerichtsordnung gibt, die sich von der in den Ländern unterscheidet", betonte Pilnacek.

Bezirksrichter sehen Probleme im Grauen Haus

Ablehnung kommt auch von den Bezirksrichtern: "Ich bin strikt dagegen. Vor allem aus dem Grund, weil wir in den letzten Jahren die größten Probleme gehabt haben, Stellen am Wiener Straflandesgericht und bei der Staatsanwaltschaft Wien zu besetzen. Das deutet auf atmosphärische Störungen im Grauen Haus hin. Kein vernünftiger Mensch würde daher diesen Bereich vergrößern", sagte der Vorsteher des Bezirksgerichts Meidling, Oliver Scheiber.

Vor allem bei der Staatsanwaltschaft hätten sich mitunter junge Kollegen schon nach zwei bis drei Monaten wegbeworben und das Justizministerium schließlich dazu bewogen, Bewerbungen von einem Posten bei der Wiener Anklagebehörde auf eine andere Dienststelle erst nach einer absolvierten Dienstzeit von 18 Monaten zuzulassen, berichtete Scheiber.

Weiters habe die Umsetzung der StPO-Reform "bei großen Einheiten organisatorische Probleme bereitet, während es bei kleinen Einheiten keine Probleme gegeben hat. In den Wiener Bezirksgerichten hat die Umstellung der StPO reibungslos funktioniert", bemerkte Scheiber. Bezirksgerichte seien außerdem "gemischte" Gerichte, wo junge Kollegen neben Strafrecht auch Zivil- und Familienrecht "ausprobieren" könnten und sich erst nach einigen Jahren Berufserfahrung auf einen Bereich festlegen müssten.

"Ich verstehe den Kollegen Forsthuber nicht. Ich halte das nicht für sinnvoll", reagierte auch Gerhard Reissner, Vorsteher des Bezirksgerichts Floridsdorf und Vizepräsident der Richtervereinigung, abweisend auf die Zentralisierungs-Pläne des "Landl"-Präsidenten. Diese hätten in seinem Haus "helle Empörung ausgelöst", stellte Reissner fest. Er sehe keinen Bedarf, in der Bundeshauptstadt Kompetenzen der Bezirksgerichte zu verschieben, zumal erst vor 15 Jahren das zentrale Strafbezirksgericht aufgelöst worden sei, "weil man damals gesagt hat, man will näher an der Bevölkerung dran sein".

Dachausbau des Landesgerichts

Die bezirksgerichtlichen Agenden ins Straflandesgericht zu integrieren, wäre grundsätzlich erst nach größeren Umbauarbeiten möglich, da das Graue Haus bereits zum jetzigen Zeitpunkt aus allen Nähten platzt. Gegenüber der "Presse" verwies Forsthuber in diesem Zusammenhang auf eine Machbarkeitsstudie der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), derzufolge das Dachgeschoß des vierstöckigen Gebäudes um 3,04 Mio. Euro ausgebaut und somit zusätzliche Büroräumlichkeiten für richterliches und nichtrichterliches Personal sowie Verhandlungssäle gewonnen werden könnten.

Der Haken an der Sache: Die erforderlichen finanziellen Mittel sind nicht vorhanden. Wie Sektionschef Pilnacek darlegte, würde dieses Bauprojekt den derzeitigen budgetären Rahmen der Justiz sprengen.

(APA)

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