Die Griechen wollen keinen "Gauleiter" aus Brüssel

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Die Lage in Griechenland droht zu eskalieren: Schuldenschnitt könnte scheitern, und das Volk tobt, weil Deutschland der griechischen Regierung die Budgethoheit abnehmen und der Europäischen Union übertragen will.

Wien/Jil/Ag. In Griechenland kocht die Volksseele. Grund ist ein deutscher Vorschlag, der Regierung in Athen ihre Budgethoheit zu entziehen und unter Kuratel eines noch zu ernennenden „EU-Haushaltskommissars“ zu stellen. Diese De-facto-Entmündigung Athens will weder die griechische Regierung noch das griechische Volk akzeptieren.

Die griechischen Medien reagierten scharf auf das Auftauchen des deutschen Vorschlags. „Das Dokument der Schande. Merkel fordert die bedingungslose Kapitulation der griechischen Finanzen“, titelte die Sonntagszeitung „To Vima“. Kommentatoren im Fernsehen sprachen von einem „Gauleiter“, den Berlin in Griechenland einsetzen wolle. Die Deutschen verlangten „volle Vormundschaft“, schrieb das Athener Boulevardblatt „Ethnos“. Am Montag gibt es wieder einen EU-Gipfel in Brüssel. Kurz vor seiner Abreise reagierte auch der griechische Finanzminister auf die deutschen Vorschläge. „Wer das Volk vor das Dilemma Finanzhilfe oder nationale Würde stellt, ignoriert historische Lehren“, erklärte Evangelos Venizelos.

Die Forderung nach einem „EU-Haushaltskommissar“ sollte aus deutscher Sicht eine Voraussetzung für die Auszahlung des zweiten Griechenland-Hilfspaketes sein. Dieses muss nach Angaben der „Troika“ (EU/IWF/EZB) von 130 auf 145 Mrd. Euro aufgeblasen werden, weil weder die Spar- noch die Konjunkturmaßnahmen in Griechenland greifen. Die wirtschaftliche Lage des Landes verschlechtert sich weiter.

„Gewaltige soziale Reaktion“

Am Samstag sind die Verhandlungen zwischen Griechenland und dem internationalen Bankenverband IIF über einen Schuldenschnitt zusammengebrochen. Griechenland braucht dringend eine Senkung der Schuldenlast um bis zu 100 Mrd. Euro – sonst droht dem Land ein unkontrollierter Staatsbankrott. Die Verhandlungen wurden am Samstag ohne Ergebnis abgebrochen. Es gibt aber Hoffnung, dass die Gespräche kommende Woche wieder aufgenommen werden.
Die Stimmung in Athen wird indes immer bedrohlicher. Die Regierung des parteilosen Ministerpräsidenten Lukas Papademos muss harte Entscheidungen treffen. Auf Druck der internationalen Geldgeber sollen 150.000 Staatsbedienstete – fast jeder fünfte – in den nächsten drei Jahren gehen. Der Mindestlohn soll abgeschafft werden. Das 13. und 14. Monatsgehalt im privaten Sektor sollen gestrichen, Zusatzrenten und die Ausgaben im Sozialbereich gekürzt werden.

Das bringt sozialen Sprengstoff. Knapp 19 Prozent der Griechen sind arbeitslos, allein in Athen gibt es 20.000 Obdachlose, 250.000 Menschen  füttert  die Kirche durch. Das Abwürgen der Wirtschaft im Namen der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit könnte zu einer gewaltigen sozialen Reaktion führen, sagt der griechische konservative Europaabgeordnete Theodoros Skylakakis.

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