Stell dir vor, Pressefoyer – und keiner geht hin

Der Außenauftritt von Bundeskanzler und Vizekanzler kennt zwei Strategien: Schweigen und Beleidigtsein.

Mitunter wird einem Journalisten bereits die Tagesmeldung zum Verhängnis: Während einer Regierungsklausur setzte ein Redakteur der Austria Presse Agentur folgende Meldung ab: „Regierung hat die Melanzani voll im Griff“ – in Anspielung auf die deutsch-spanische Gurkenkrise und in Ermangelung anderer spannender Themen. Werner Faymann und sein Team konnten darüber nicht lachen. Wenig später fand das traditionelle Kanzlerfest statt, ohne Einladung an den Redakteur, der wurde als einziges Redaktionsmitglied der APA nicht eingeladen.

Eine Tageszeitung bemühte sich angeblich über ein Jahr um ein Interview mit dem Kanzler. Faymann aber hatte keine Lust, zu schlecht war ihm das letzte Interview mit dem Blatt in Erinnerung. Harsch bis restriktiv soll auch der Kanzlersprecher sein. So sehr, dass deutsche Journalistenkollegen in Brüssel bereits ihre österreichischen Kollegen bedauern.

Unerwünschte Fragen werden vom Kommunikationsteam der Regierung meist strikt abgedreht, Wortspenden mit dem Dauerhinweis „Keine Zeit!“ verhindert und um Interviews zu unvorhergesehenen Themen braucht man sich gar nicht erst zu bemühen.

Verweigerung als Haltung

Das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Journalisten wurde jetzt durch eine starke Symbolik ergänzt. Im Vorzimmer zum Ministerrat wurde ein Band gespannt, um Regierungsmitglieder und Presseleute besser voneinander zu trennen. Eine Maßnahme, die in Zeiten seltener Medienanlässe gut in die Kommunikationslogik passt.

Informeller Austausch und Fragen zum Tages- und Weltgeschehen sind ohnehin unerwünscht – Boulevard und ORF ausgenommen. Dabei dürfte es kein Zufall sein, dass Werner Faymann just immer dann im „ZiB2- Studio sitzt, wenn Anchorman Armin Wolf auf Urlaub ist.

Von der Regierungs-PR ebenfalls weitgehend ausgespart sind Qualitätsmedien und Privatfernsehen: Die einen hat man nicht so recht im Griff und die anderen gar nicht erst am Schirm.

Interviewanfragen von Qualitätsmedien werden gern mit dem Versprechen eines Rückrufs ignoriert oder sind nur mehr zu kriegen, wenn vorab mit dem jeweiligen Pressesprecher die Themen abgestimmt werden. Das fertige Interview wird dann in der Regel an den Pressesprecher zur Freigabe geschickt und kommt mitunter stark redigiert retour. Mit dem Argument der besseren Lesbarkeit, versteht sich.

Regierung diktiert Spielregeln

Die Spielregeln werden vom Kommunikationsteam der Regierung diktiert, bei Regelverstoß droht der Ausschluss in Form einer Informations- und Interviewverweigerung. Mit dem Ergebnis, dass uns Lesern immer uninteressantere Politikerinterviews vorgesetzt werden, denen jede Aussage und Spannung fehlt.

Auf derart abgestimmte, streichelweiche Interviews ließe sich getrost verzichten. Denn: Wenn Journalisten sich hier weiter verbiegen, darf man Faymann bald nur mehr zu Tier- und Kinderrechten interviewen, und Spindelegger zur christlichen Soziallehre.

Erstaunlich ist auch nicht die Konzentration des Kanzlers auf Boulevardmedien, immerhin lassen sich durch deren hohe Auflage viele Menschen erreichen. Das aber sind interessanterweise vor allem jene, die sich ohnehin kaum für das politische Geschehen interessieren, während man null Interesse für die Qualitätsblätter und deren Leser zeigt. Hier gilt das Motto: Null Lust auf Diskurs, null Lust auf die Auseinandersetzung mit Menschen, die sich (noch) für Politik interessieren.

Das kann auch nicht verwundern, denn Lust auf Diskurs hat nur, wer inhaltlich etwas anzubieten hat. Damit fallen Faymann und Spindelegger leider aus.

Gerade Michael Spindeleger verkörpert das personifizierte „Jein“, das aber freundlich. Wer vom Vizekanzler eine klare Stellungnahme erwartet, sollte lieber versuchen, einen Pudding an die Wand zu nageln. Mit Kommunikationsbereitschaft ist bei Spindelegger wie bei Faymann erst dann zu rechnen, wenn es eine vermeintlich ausgeklügelte Medienstrategie zu einem Thema gibt. Das aber kann dauern. Denn entschlossenes Handeln und Kommunizieren ist ihre Sache nicht.

Defensiv und themenlos

Ein Umstand, den kein Journalist ändern kann. Ändern ließe sich allerdings der Umstand, dass derzeit ausschließlich der politische Betrieb die Handlungsweisen dirigiert. Ob sich Journalisten Ausgrenzung und Zensur gefallen lassen, entscheiden sie selbst. Laufen sie weiter jede Woche zu einem Pressefoyer, auf dem nur Phrasen verkündet werden? Schieben sie weiterhin vor einem Interview die Fragen unter der Türe durch?

Selten zuvor war eine Regierung derart defensiv und themenlos und dabei in ihrer Kommunikation so restriktiv wie die jetzige. Wer übrigens glaubt, dass Oppositionsparteien – etwa die Grünen – besser sind, irrt. Die Wiener Grünen haben zu ihrem Sommerheurigen die Innenpolitik-Redaktion einer Tageszeitung eingeladen – nur nicht jene beiden Redakteure, die zuvor kritisch über sie berichtet haben.

Der Einsatz der ORF-Journalisten zur Causa Pelinka hat zuletzt gezeigt, was möglich ist. Man könnte das Spiel auch umdrehen: Stellen Sie sich ein Kanzlerfest und ein Ministerratspressefoyer vor – und keiner geht hin.

Zur Autorin


E-Mails an: debatte@diepresse.comChristina Aumayr-Hajek, geboren 1977 in Linz, studierte in Wien Publizistik, Philosophie und Psychologie. Die Kommunikationswissenschaftlerin war drei Jahre lang in Hamburg als PR-Beraterin tätig und kehrte 2005 als Ministersprecherin nach Wien zurück. 2008 gründete sie ihr Beratungsunternehmen Freistil PR. [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.