Korruption, Vetternwirtschaft im Vatikan

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Die Veröffentlichung von Briefen des Erzbischofs, Carlo Maria Vigano, an den Papst über „Seilschaften und Vetternwirtschaft“ bringen den Kirchenstaat massiv unter Druck.

Rom/Kap/Reuters. Seit der italienische Privat-TV-Sender La7 vor wenigen Tagen einen Bericht über Korruption und Freunderlwirtschaft im Vatikan ausgestrahlt hat, ist im Kirchenstaat die Hölle los: Auf Vorwürfe gegen die Vatikanbank IOR und deren internationale Verwicklungen war man vorbereitet, zumal die Behauptungen nur schwer nachprüfbar sind. Jetzt geht es aber um das alltägliche Geldverschleudern, um die Vergabe öffentlicher Aufträge im Vatikanstaat und dadurch verursachte Millionenschäden.

Was die Sache besonders brisant macht: Der Informant ist nicht anonym, sondern kein Geringerer als Erzbischof Carlo Maria Vigano. Als stellvertretender Verwaltungschef des Vatikanstaats war Vigano von Sommer 2009 bis Herbst 2011 für die Infrastruktur zuständig, von den Museen über die Gärten und Straßen bis hin zu den Handwerkern. In der TV-Sendung „Die Unberührbaren“ wurden zwei Briefe Viganos an den Papst gezeigt – ein Novum, das im Vatikan für Unruhe sorgte. Darin erhebt der aus einer Mailänder Industriellenfamilie stammende Erzbischof schwere Vorwürfe und beklagt, dass einflussreiche Kräfte seine Versetzung in die USA betrieben hätten, weil er gegen die Misswirtschaft vorging. Er habe bei seinem Amtsantritt ein „Netz aus Korruption, Vetternwirtschaft und Seilschaften“ vorgefunden.

Es gebe Fälle „von Korruption und Machtmissbrauch in der Verwaltung vieler Abteilungen aufzuklären“, heißt es in einem Brief vom 27.März 2011. In einem zweiten Schreiben berichtet er dem Papst, dass einige Geldanlagen in die Hände von Bankern gegeben worden sein, die vor allem ihre eigenen Interessen verfolgten.

Krippe um 550.000 Euro

Als Beispiel für sein Wirken nannte der streitbare Kirchenmann die Krippe auf dem Petersplatz: 2009 hatte sie noch 550.000 Euro gekostet. Er habe das Budget um 200.000 Euro gesenkt, indem er einfach eine andere Firma beauftragte.

Der Heilige Stuhl, der nur selten auf Fernsehsendungen reagiert, wies die Anschuldigungen zurück. Man sei um Transparenz und Kontrolle der wirtschaftlichen Aktivitäten bemüht, erklärte Pressesprecher Federico Lombardi. Den Sendeverantwortlichen warf er „oberflächliche und einseitige Darstellung“ vor. Überdies drohte er mit rechtlichen Schritten. Die Echtheit der veröffentlichten Schriftstücke hat er aber indirekt bestätigt, indem er meinte, er sei betrübt, dass vertrauliche Schreiben in die Öffentlichkeit gelangt seien.

Welches Ausmaß die Misswirtschaft vor Viganos Einsatz hatte, illustriert laut dem Fernsehbericht die Haushaltsbilanz des Vatikanstaates. Wies diese für das Jahr 2009 noch ein Defizit von knapp acht Mio. Euro aus, erwirtschaftete der Vatikanstaat im Jahr 2010 einen Überschuss von mehr als 20 Mio. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2012)

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