Der Sparkommissar: Eine moralische Bestrafung für Athen

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Der Vorschlag aus Berlin, in Griechenland einen dauerhaften Aufpasser zu installieren, trifft auf vehemente Ablehnung. Und immer noch mehr Sparen kann die Lösung nicht sein.

Athen. „Nein, Nein, Nein“, titelte die Athener Zeitung „Ta Nea“ in deutscher Sprache. Gemeint war das dreifache Nein, das die griechischen Parteiführer Premier Loukas Papademos mit auf den Weg nach Brüssel gegeben hatten. Keinesfalls, so die einstimmige Position, werde man die Haushaltssouveränität an einen europäischen „Sparkommissar“ abgeben, wie Regierungspolitiker in Berlin das gerne sähen. Vizepremier und Finanzminister Evangelos Venizelos ermahnte gerade die großen EU-Partner aufgrund ihrer „erhöhten Verantwortung für den Fortgang Europas“, im Interesse des Zusammenhalts nationale Identität und Würde auch der Mitgliedländer zu respektieren, die auf die Hilfe ihrer Partner angewiesen seien. „Wer ein Volk vor das Dilemma zwischen Finanzhilfe und nationaler Würde stellt, ignoriert grundlegende Lektionen der Geschichte“, so Venizelos.

Im Klartext: Die Deutschen sollten sich an ihre eigene Demütigung durch die Reparationszahlungen nach dem ersten Weltkrieg und die daraus folgenden historischen Entwicklungen erinnern. Tatsächlich führen derartige Vorschläge gerade aus Berlin zu Ablehnung und Unwillen gegen alle Sparbemühungen. Es gehe den Deutschen, so auch der besonnene Journalist Manolis Kapsis, offensichtlich um eine moralische Bestrafung des Schuldensünders Griechenland, weniger um eine Lösung der Krise.

„Grabstein für mittelständische Betriebe“

Und immer noch mehr Sparen kann die Lösung nicht sein. Für eine Abschaffung des Mindestlohns und des zwölften und 13. Monatsgehalts wird es im griechischen Parlament keine Mehrheit geben.

Genau das aber fordert die Troika, das Triumvirat der Vertreter von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Griechenlands Kreditgeber versprechen sich von Gehaltskürzungen nun auch im privaten Sektor eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft. Doch selbst die Unternehmerverbände des Landes sind gegen eine solche Maßnahme, die die Kaufkraft weiter schwächen und damit die heillose Rezession noch verschärfen würde.

„Das wäre der Grabstein für die mittelständischen Betriebe“, sagt Georgios Emboridis. Der Besitzer eines Werkzeughandels im Zentrum Athens hatte noch vor zwei Jahren sechs Angestellte. Seither ist sein Umsatz um 30 Prozent zurückgegangen, er musste zwei Mitarbeiter entlassen. Dennoch ist er entschieden gegen Lohnkürzungen. „Das Geld fehlt uns dann auf dem Markt, gerade in Griechenland brauchen wir Förderungen der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft ausmachen.“

Von weiteren Reformen verlangen alle griechischen Sozialpartner, dass sie Hoffnung auf Aufschwung geben. Nur darüber ist noch ein Konsens der Parteien und der Bevölkerung zu erreichen. Doch selbst dann ist fraglich, ob das bestehende politische System bereit ist, sie endlich umzusetzen. Dieses System habe sich an Provisionen, Wahlgeschenke , Seilschaften und Protektionismus gewöhnt, sagt die ehemalige Vertreterin Griechenlands beim IWF, Miranda Xafa. „Es werden Gesetze verabschiedet, die dann nicht umgesetzt werden. Das politische System ist nicht bereit, den Ast abzusägen, auf dem es sitzt.“

Xafa ist der Meinung, dass eine verstärkte, vor allem projektbezogene Aufsicht von außen „eine gute Idee“ ist. Im Grunde aber steht das Land bereits unter der Kontrolle der Troika. Sie verlangt diesmal von der griechischen Politik, sich schriftlich den Vorgaben von Lohnkürzungen im Privatsektor und Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst zu verpflichten. Erfolgt dies nicht, wird die nächste Kreditzahlung in Höhe von 130 Milliarden nicht gewährt. Dieses Geld wiederum ist die Voraussetzung zur Abwicklung des Schuldenschnitts, den Athen seit Wochen mit privaten Gläubigern verhandelt. Wird keine Einigung erzielt, kann Griechenland spätestens im März den Staatsbankrott nicht mehr abwenden.

Papademos wird sich nach seiner Rückkehr aus Brüssel daher wohl erneut mit den Parteiführern zusammensetzen müssen, um ihnen ein Einverständnis zu den Sparvorlagen abzuringen.

Auf einen Blick

Die deutsche Bundesregierung hat den Eurostaaten vor drei Tagen den Vorschlag unterbreitet, die Kontrolle des Athener Budgets auf einen Sparkommissar zu übertragen, der auch ein Veto gegen Entscheidungen der Regierung einlegen könne. Weil Griechenland heuer wohl wieder die Sparziele verfehlen wird, solle weiteres Geld nur fließen, wenn sich das Land rechtlich dazu verpflichte, der Schuldenrückzahlung absoluten Vorrang zu geben. Griechenland wehrt sich gegen den Vorschlag eines Haushaltsaufpassers, und auch andere Staaten wie Österreich oder Luxemburg kritisierten den deutschen Vorschlag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2012)

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