Frankreich: Klage gegen Genozid-Gesetz

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72 Senatoren und 65 Abgeordnete der französischen Nationalversammlung wollen verhindern, dass die Leugnung des Armenier-Völkermords von 1915/16 bestraft wird. Der türkischer Premier Erdoğan gratuliert.

Paris/Rb. Das von beiden französischen Parlamentskammern verabschiedete Völkermordgesetz, das die Leugnung des Armenier-Genozids von 1915/16 unter Strafe stellt, kann vorerst nicht in Kraft treten. 72 Senatoren und 65 Abgeordnete der Nationalversammlung haben am Dienstag eine Verfassungsklage eingereicht. Die Gegner dieses Gesetzes kommen aus linken und rechten Parteien. In der Parlamentsdebatte hatten sowohl die konservative Regierungspartei UMP als auch die Sozialisten das Gesetz offiziell unterstützt und mehrheitlich angenommen.

Schon vor der Zustimmung durch den Senat am 23. Jänner hatte dessen Gesetzeskommission die Vorlage als verfassungswidrig erklärt und (vergeblich) seine Ablehnung empfohlen. In der Debatte war mehrfach gesagt worden, es sei gefährlich, wenn sich das Parlament zum Richter über die historische „Wahrheit“ erheben wolle. Aber auch die politische Opportunität eines solchen Gesetzes war – unter anderem auch von Außenminister Alain Juppé – bezweifelt worden.

Gericht muss nun entscheiden

Zwar sind die rund 500.000 Franzosen armenischer Abstammung eine große Wählergruppe. Umgekehrt ist die Türkei ein wichtiger Handelspartner. Ankara hat wegen des Gesetzes mit Sanktionen gedroht. Premier Erdoğan gratulierte nun den Parlamentariern zu ihrer Beschwerde.

In der Verfassungsklage wird mit der im Grundgesetz verbrieften Meinungsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit der Strafen argumentiert. Wer den Holocaust oder nun eben den Armenier-Genozid leugnet, kann mit bis zu einem Jahr Gefängnis und 45.000 Euro bestraft werden. Die Verfassungsrichter haben nun ein Monat Zeit für ihr Urteil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2012)

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