Ob Schwarz-Blau oder Rot-Blau: Kluft in FPÖ sprengte Regierungen

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Kleine Koalitionen. Die Freiheitlichen waren nach ihrem Weg an die Macht oft intern über den Kurs uneinig.

Wien. Seit die Freiheitlichen in Umfragen sogar der stark geschrumpften SPÖ und damit Platz eins ganz nahe gekommen sind, gibt es für Heinz-Christian Strache und die Seinen kein Halten mehr. Mittlerweile gehört es zum Standardrepertoire des 2005 als blauer Nachlassverwalter von Jörg Haider inthronisierten FPÖ-Chefs, den Kanzleranspruch für seine Partei nach der nächsten Nationalratswahl zu stellen.

Die jetzige FPÖ ist im Frühjahr 2005 als Spaltprodukt nach der Gründung des orangen BZÖ auf der politischen Bühne geblieben: Die Freiheitlichen zerbrachen damals am parteiinternen Unmut über den übermächtigen Koalitionspartner ÖVP und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Nach Jahren in der Opposition gelüstet es Strache und seinen Gefolgsleuten nun zur Rückkehr an die Macht und an die „Futtertröge“ der Republik.

Im Vergleich zur jahrzehntelangen gemeinsamen Regierung der einst tatsächlich Großen Koalition von SPÖ und ÖVP, durften die Blauen zumindest in Jahren gerechnet nur recht kurz an den Schalthebeln in den Ministerien sein. Es endete stets im Chaos, jeweils mit akuten politischen Überlebensängsten für die FPÖ. Schuld daran war – egal ob nach der ersten kleinen rot-blauen Koalition 1986 oder nach Schwarz-Blau 2002 – die wachsende Nervosität, weil der FPÖ als Folge der Regierungsbeteiligung Wähler in Scharen davongelaufen sind.

1986 hievten die nationalen Kräfte und Kritiker des FPÖ-Regierungsteams im Bund Jörg Haider beim Innsbrucker Parteitag an die FPÖ-Spitze. 2002 kam es mit Haider als Regisseur im Hintergrund zum Knittelfelder Putsch gegen das Regierungsteam um Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Wie 1986 kam es zur vorzeitigen Beendigung der Koalition durch den Regierungspartner: 1986 durch Franz Vranitzky, im Herbst 2002 durch Schüssel. Letzterer machte zwar zuerst mit einer stark gerupften FPÖ und danach nur mit dem orangen Ableger in der Regierung weiter.

Hoppalas in Serie von SPÖ und FPÖ

Die SPÖ-FPÖ-Koalition unter Regierungschef Fred Sinowatz stolperte ab 1983 von einem Hoppala zum nächsten: Egal ob es der Handschlag von Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager mit dem verurteilten Kriegsverbrecher Walter Reeder, der verhinderte Bau des Kraftwerkes Hainburg oder die politischen Verstrickungen (Stichworte: Lucona und Noricum) waren. Für die SPÖ ist noch heute schmerzhaft, dass ihr seit damals vorgehalten werden kann, sie habe, als es um den Erhalt ihrer Regierungsmacht ging, nicht gezögert, mit den Freiheitlichen zu koalieren.

Im Jahr 2000 standen die Sozialdemokraten dann freilich bei den Protesten gegen Schwarz-Blau an vorderster Front. Politische Beobachter sind heute noch der Ansicht, die ÖVP-FPÖ-Regierung habe neben der inhaltlichen Übereinstimmung in vielen Punkten– von der Privatisierung bis zur Stärkung der Wirtschaft – aus zwei Gründen gut funktioniert: In der Anfangsphase schweißten die EU-Sanktionen gegen Österreich die beiden Parteien enger zusammen. Später, als in der FPÖ intern bereits ein Erodierungsprozess im Gange war, habe die ÖVP das Kommando in der Regierung gehabt und einen Teil der blau-orangen Ressorts de facto durch ihre Regierungsmitglieder mitgeführt.

Späte Aufarbeitung der FPÖ-BZÖ-Ära

Der Bruch von Rot-Blau und die Neuauflage der Großen Koalition unter Franz Vranitzky und Alois Mock ab Jänner 1987 verhalfen der einstigen dritten Kraft im Hohen Haus unter Haider zu einem ungeahnten Höhenflug. SPÖ und ÖVP waren mitunter die besten Wahlhelfer für die Blauen: egal ob es sich um die Privilegien in der SPÖ-dominierten Arbeiterkammer (Stichwort: Rechberger) oder um das „Obmann-Morden“ der schwächelnden Volkspartei handelte. Bei der Nationalratswahl 1999 hatte Haiders FPÖ dann SPÖ und ÖVP aufgerieben.

Die unerfreulichen Hinterlassenschaften der schwarz-blau-orangen Regierungszeit von 2000 bis Anfang 2007 liefern derzeit gerade dem Korruptionsuntersuchungsausschuss und der Justiz jede Menge Arbeit. Das überdeckt freilich, dass sich Schwarz-Blau selbst von Massenwarnstreiks nicht von Pensionsreformen abbringen hat lassen, die derzeit bei den Beratungen von SPÖ und ÖVP beim Steuer- und Sparpaket gar nicht erst auf dem Verhandlungstisch landen.

Das 1999/2000 herrschende Grand-Canyon-tiefe Misstrauen zwischen Politikern von SPÖ und ÖVP ist bis heute nicht überbrückt, auch wenn Bundeskanzler Werner Faymann 2008 einen rot-schwarzen Kuschelkurs ausgerufen hat. Wenn es sich nicht gerade um eingefleischte Großkoalitionäre in der ÖVP wie Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl handelt, wird gern das gute Gesprächsklima mit der FPÖ betont.

Dabei liegt die Strache-FPÖ inhaltlich mit ihrer globalisierungskritischen Linie und dem Aufziehen eines Schutzes für den „kleinen Mann“ der SPÖ näher als Teilen der ÖVP. Umso mehr ärgert Strache, dass die SPÖ – etwa bei der Kür von Alexander Wrabetz zum ORF-Chef – zwar Unterstützung der FPÖ sucht, ihm Faymann öffentlich aber demonstrativ die kalte Schulter zeigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2012)

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