Indien: Schmiergeldskandal sorgt für Mobilfunkchaos

Indien Schmiergeldskandal sorgt fuer
Indien Schmiergeldskandal sorgt fuer(c) AP (Aijaz Rahi)
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Der oberste Gerichtshof in Delhi hat alle seit 2008 vergebenen Handylizenzen für nichtig erklärt, da bei der Vergabe geschmiert worden sein soll. Die Außenwirkung des Urteils dürfte verheerend sein.

Neu-delhi. Indien soll das neue China werden. Diese Hoffnung wird auf dem Subkontinent oft gehört. Doch ausufernde Bürokratie und Korruption behindern den Staat bei seinem Aufholprozess. Erst kürzlich hat die Beratungsfirma Political & Economic Risk Consultancy (PERC) mit Sitz in Hongkong in einer Studie Indiens Bürokratie zur schlechtesten in ganz Asien gekürt. Auf einer Skala von eins bis zehn, bei der zehn den schlechtest möglichen Wert darstellt, hat Indien die Note 9,21 erhalten.

Entscheidungen der indischen Beamten wird oft mittels Schmiergeld nachgeholfen. Wozu das führen kann, zeigt ein Urteil des obersten Gerichts aus der Vorwoche. Das Gericht hat in einer überraschend drastischen Entscheidung alle 122 Lizenzen für das Mobilfunknetz kassiert, die seit 2008 vergeben worden sind. Das Urteil trifft auch ausländische Investoren.

Das Telekommunikation-Ministerium hat die Lizenzen Anfang 2008 direkt an Interessenten vergeben, anstatt sie, wie allgemein üblich, auszuschreiben. Dem indischen Staat sollen dadurch rund 40 Milliarden Dollar entgangen sein. Mehrere hochrangige Behördenvertreter – unter ihnen der damalige Telekommunikation-Minister A.Raja – sowie mehrere Manager aus der Mobilfunkindustrie sind im vergangenen Jahr festgenommen worden, weil bei der Vergabe Schmiergelder geflossen sein sollen.

Neue Ausschreibung der Lizenzen

Viele Beobachter sind davon ausgegangen, dass das oberste Gericht eine Untersuchungskommission einsetzen würde, die jeden einzelnen Fall untersuchen, gegebenenfalls Bußgelder verhängen und nur bei gröbsten Vergehen Lizenzen einziehen würde. Das Gericht hat jedoch entschieden, dass die derzeitigen Inhaber der Lizenzen ihre laufenden Geschäfte nur noch vier Monate lang fortsetzen dürfen. Danach muss die Regierung die Lizenzen neu ausschreiben.

Die Entscheidung betrifft nur einen vergleichsweise kleinen Teil des indischen Mobilfunkmarkts: Etwa jeder zwanzigste Mobilfunknutzer ist davon betroffen. Die Außenwirkung des Urteils dürfte jedoch verheerend sein. Zwar haben 2008 keine ausländischen Konzerne direkt Lizenzen erworben. Doch sowohl die norwegische Telenor als auch der Etisalat-Konzern mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten sind an Joint Ventures beteiligt, denen nun die Lizenzen entzogen werden.

Uninor, das Joint Venture, an dem Telenor beteiligt ist, erklärte, das Unternehmen fühle sich „unfair behandelt“, da es bei der Lizenzvergabe lediglich dem Prozedere gefolgt sei, das die Regierung vorgegeben habe. Die Firma hat derzeit 36Millionen Kunden und beschäftigt 17.500 Angestellte in Indien. Jedoch ist im vergangenen Jahr auch ein geschäftsführender Direktor des indischen Joint-Venture-Partners wegen Korruptionsverdachts festgenommen worden.

Die indische Politik scheint jedoch nur bedingt daran interessiert zu sein, etwas an den Verhältnissen zu ändern. Erst vor wenigen Wochen haben die Abgeordneten des Zentralparlaments in Neu-Delhi mit viel Geschrei die Verabschiedung eines Anti-Korruption-Gesetzes verhindert. Ein Abgeordneter hat vor laufenden Kameras sogar eine Kopie des Gesetzentwurfs zerrissen. Das Gesetz würde nämlich eine Behörde schaffen, die auch Korruptionsvorwürfen gegen Abgeordnete nachgehen könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2012)

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