Patienten vor der Operation nicht mehr „ihrer Sinne berauben“

Spital. In einem Linzer Krankenhaus hat man eine für Patienten entwürdigende und beängstigende Vorgangsweise durch eine Innovation gestoppt.

Da kommen viele Ängste auf! Weil sie plötzlich fast nichts mehr sehen, fast nichts mehr hören und sich mitunter schämen zu reden. Sie wurden, überspitzt formuliert, „ihrer Sinne beraubt“ – Brillen, Hörgeräte, mitunter Zahnprothesen werden Spitalspatienten vor einer Operation bereits im Krankenzimmer weggenommen und dort meist im Nachtkästchen aufbewahrt. So werden die Patienten „nackt“, „ausgeliefert“ und noch mehr verunsichert in den OP-Saal geführt.

Weniger Angst, mehr Sicherheit

„Diese Vorgangsweise entspricht zwar allen Normen, ist aber eine entwürdigende und beängstigende Situation, vor allem für ältere Menschen“, kritisiert Barbara Lehner, Generalvikarin im Linzer Krankenhaus der Elisabethinen.

„Doch gerade in der Zeit bis zur Operation und kurz danach empfinden viele Menschen den Verlust ihrer ,Sinne‘ als sehr belastend. Wir machen es anders“, ergänzt Pflegedirektorin Hannelore Dirschlmayer-Steiner, „wir haben etwas gesucht, das die Würde der Patienten erhält, das ihren Komfort unterstützt und das letztlich auch die Sicherheit fördert.“ Denn es kann schon eine Gefahr bedeuten, wenn ein Patient, vor der Operation um etwas gefragt, wegen fehlenden Hörgeräts nichts versteht und vielleicht eine falsche Auskunft gibt. Oder wenn er sich nicht sprechen getraut, weil er seine Zahnprothese zurücklassen musste.

Nicht blind und taub gemacht

Im Elisabethinen-Krankenhaus kommt man diesem Problem mit der Eli-Box bei: eine Hartschalenbox, in die man Brille, Hörgeräte und auch Zahnersatz geben kann. „Unsere Patienten können auf dem Weg in den Operationssaal sowohl Hörgeräte als auch Brille tragen, sie hören und sehen also“, betont Dirschlmayer-Steiner. Erst unmittelbar vor dem OP-Saal werden diese wertvollen Hilfen in die Box gegeben und mittels Klettverschluss am Bett befestigt. „Das ist für das Personal kein Mehraufwand“, beruhigt die Pflegedirektorin. Und dem Patienten wird solchermaßen viel Angst genommen, mehr Sicherheit gegeben.

Und auch jene Unverbesserlichen, die das Gesundheitssystem so gerne nur mit dem Auge des Ökonomen sehen, könnten der Eli-Box etwas abgewinnen: Brillen, die am Nachtkästchen zurückgelassen und vielleicht zerbrochen wurden, Hörgeräte, die verloren gehen, gibt es mit der patientenfreundlichen Innovation kaum mehr. Dirschlmayer-Steiner: „Daher haben auch schon etliche Versicherungen Interesse bekundet. Selbst wenn die Eli-Box hinunterfällt, geht der Inhalt nicht kaputt. Das wurde mehrfach getestet.“ Auch die Sterilität ist gewahrt: Den mit entsprechenden Vertiefungen versehenen Innenteil der Box kann der Patient mit nach Hause nehmen, die abwaschbare Außenschale wird desinfiziert und weiter verwendet.

Künftig sollen aber nicht nur Linzer in den Genuss dieser die Patientenwürde erhaltenden Erfindung kommen: „Uns haben schon einige andere Krankenhäuser angerufen, und freilich geben wir die Eli-Box weiter“, so Dirschlmayer-Steiner. Diese Box könne auch bei stationären Untersuchungen wie Gastroskopie sowie in Alten- und Pflegeheimen wertvolle Dienste leisten. Es ist zudem geplant, die Eli-Box ab Juni oder Juli dieses Jahres in den freien Verkauf zu geben, wahrscheinlich um den Preis von 8,20 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2012)

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