Das Eis im Polarmeer nördlich von Russland schmilzt und soll lokale Klimaänderungen bewirken. "Die Wahrscheinlichkeit für kalte, schneereiche Winter in Mitteleuropa steigt", so die Forscher.
Berlin/Dpa. Wer schon jetzt über die angeblich so arge Kälte jammert, sollte sich auf einiges gefasst machen: Laut deutschen Forschern dürften die Winter in Europa im Schnitt deutlich kälter werden. Grund: das Abschmelzen von Eis in der Nordpolregion.
So zeigt ein Computermodell von Forschern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften in Kiel, dass „der anormale Rückgang des winterlichen Meereises in der Barents- und Karasee (nördlich Russland, Anm.) extrem kalte Zeitenspannen bringen könnte, ähnlich wie im Winter 2005/2006“. Am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven (AWI) kam man jüngst zu ähnlichen Resultaten: „Die Wahrscheinlichkeit für kalte, schneereiche Winter in Mitteleuropa steigt, wenn die Arktis im Sommer von wenig Eis bedeckt ist.“
Komplexe Wechselwirkung
Grund: Sonnenlicht erwärmt eine eisfreie, also dunkle Wasserfläche stärker als eine helle Eisdecke, die mehr Licht reflektiert. Mit dem Schmelzen des Eises wird die dunkle Fläche größer und wärmer. Sie erwärmt die Luft über ihr, die aufsteigt, aber dabei rasch abkühlt und absinkt, wobei die aufsteigende Luft die erkaltete Luft seitlich, etwa nach Süden hin, wegdrückt und sie dadurch flächig ausbreitet. „Komplexe Wechselwirkungen lassen den Luftdruckgegensatz zwischen der Arktis und den mittleren Breiten Europas geringer werden, kalte Luft kann im Winter besser bis Europa vordringen“, sagt AWI-Forscher Ralf Jaiser. Das sei aber angesichts der komplexen Klimavorgänge „keine wasserdichte Prognose“.
Papst: Solidarität mit Kälteopfern
Der Kältewelle in Europa fielen derweil bis Mittwoch mindestens 470 Menschen zum Opfer, meist in der Ukraine (136) und Polen (68). In Italien, am Balkan und im Norden der Türkei dauert das Schneechaos an. Papst Benedikt XVI. rief zu „Solidarität“ mit den Opfern der Kältewelle auf.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2012)