Experte: FPÖ-Reise nach Tschetschenien "naiv"

FPoeReise nach Tschetschenien
FPoeReise nach Tschetschenien(c) AP (LILLI STRAUSS)
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Der Chef von Amnesty International kritisiert den Kurzbesuch von FP-Politikern bei Präsident Kadyrow. Tschetschenien sei "lebensgefährlich". Kadyrow wolle Flüchtlinge zurückholen, um sie zum Schweigen zu bringen.

Der Kurzbesuch des außenpolitischen Sprechers der FPÖ, Johannes Hübner, und des Vize-Bundesparteiobmannes Johann Gudenus bei dem umstrittenen tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow schlägt weiter heftige Wellen. Wie "Die Presse" berichtete, will die FPÖ in Abstimmung mit Kadyrow eine Plattform in Österreich schaffen, über die Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr nach Tschetschenien unterstützt werden sollen. Nach der Kritik des Grünen Abgeordneten Peter Pilz an der inoffiziellen Reise meldete sich am Donnerstag auch der Chef von Amnesty International, Heinz Patzelt, zu Wort.

In einem Interview mit dem Ö1-"Morgenjournal" bezeichnete er Hübner als „naiv". Denn es gebe zwar "umfangreiche Wiederaufbauinitiativen von der Infrastruktur her, aber aus der Sicherheitsperspektive für die Bevölkerung und insbesondere für Personen, die sich politisch engagieren wollen, ist Tschetschenien nach wie vor lebensgefährlich." Wie drastisch das Regime gegen seine Landsleute vorgehe zeige sich auch darin, dass unverschleierte Frauen auf der Straße "mit Paintball-Pistolen beschossen" werden.

Flüchtlinge sollen schweigen

„Wir sehen jeden Tag auf das Neue, dass Präsident Ramsan Kadyrow und seine Mannen jede Art von Aufarbeitung der Geschichte in Tschetschenien schlichtweg brutal unterbinden", so Patzelt. Der russische Regierungschef Wladimir Putin stehe „voll hinter dieser Politik". Der Grund: „Russland will ein positives Image und hat ein großes Interesse daran, ein nicht lebensgefährliches Tschetschenien zu zeigen." Eine Rückkehr der Flüchtlinge würde demnach nur den Zweck verfolgen, dass diese im Ausland nicht von den schweren Menschenrechtsverletzungen berichten können.

Gudenus hatte am Mittwoch erklärt: „Ich weiß von solchen Märchen nichts." Auch Hübner zeichnete ein anderes Bild: "Kadyrow meinte (...), dass die Massenauswanderung sein Land vor gewaltige Probleme stelle. Es würden alle Hände für den Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Landes gebraucht. Er hofft, dass sich viele Tschetschenen entschließen, aus der bequemen sozialen Hängematte in Österreich aufzustehen und mitanzupacken. Kadyrow würde jedem Rückkehrer sogar eine Wohnung zur Verfügung stellen."

Patzelt erinnerte indes daran, dass Tschetschenien und Russland laufen vom Europäischen Menschrechtsgerichtshof verurteilt würden. „Dann zahlen sie die Strafen, aber an der Menschenrechtssituation ändert sich nichts", betonte Patzelt. „Tschetschenien ist zwar ruhiger geworden, aber was dort herrscht ist Friedhofsruhe."

Ramsan Kadyrow

Der 35-Jährige hat den Wiederaufbau der Region nach den Tschetschenien-Kriegen (1994-1996 und 1999-2001) vorangetrieben. Seine Milizen ("Kadyrowzy") werden für zahlreiche Entführungen und Morde verantwortlich gemacht. Gegen Kadyrow selbst wurden den nach dem Mord an dem Tschetschenen Umar Israilov am 13. Jänner 2009 in Wien schwere Vorwürfe erhoben.

Kadyrows Aufstieg begann 2004: Der damalige russische Präsident Wladimir Putin machte den erst 27-Jährigen zum tschetschenischen Vizepremier. Im März 2006 wurde er Regierungschef. Weil die tschetschenische Verfassung für das höchste Amt in der Teilrepublik ein Mindestalter von 30 Jahren vorsieht, wurde Ramsan Kadyrow erst 2007 auf Vorschlag Putins und ohne Gegenkandidaten zum Präsidenten "gewählt".

(Red.)

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