Notreserven angetastet: Strom in Europa wird knapp

Notreserven angetastet Strom Europa
Notreserven angetastet Strom Europa(c) AP (Patrick Sinkel)
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Frankreich braucht "Stromhilfe" aus Deutschland. Die Deutschen greifen wiederum wegen drohender Engpässe auf Strom aus Österreich zurück.

Aufgrund eines drohenden Engpasses bei der Stromversorgung haben die vier deutschen Netzbetreiber neuerlich auf Reservekapazitäten in Österreich zurückgegriffen. Es handle sich bereits um den zweiten Zugriff in diesem Winter auf die sogenannte "Kaltreserve". Dabei wurde nach Informationen der "FTD" auch erstmals ein Reservekraftwerk in Deutschland eingesetzt. Demnach lief zwischen 7 und 17 Uhr ein Steinkohle-Generator der Großkraftwerke Mannheim.

Bereits Anfang Dezember hatten die deutschen Versorger auf Strom aus den EVN-Kraftwerken Korneuburg und Theiß sowie aus einem Verbund-Ölkraftwerk bei Graz zurückgegriffen. Die deutsche Bundesnetzagentur hatte im vergangenen Sommer vorsichtshalber rund tausend Megawatt Leistung zur Stabilisierung des deutschen Netzes reserviert. Die Hälfte dieser Kapazität wurde der "FTD" zufolge am Mittwoch abgerufen.

Dabei handelte es sich nach Angaben einer Sprecherin der Betreibergesellschaft Tennet um eine Vorbeugemaßnahme, da in den Abendstunden nur eine geringe Stromversorgung aus Windenergie vorhergesagt worden sei, wie das "Handelsblatt" berichtete. Ob auch in den kommenden Tagen Bedarf besteht, auf die Notreserve zurückzugreifen, wollen die Netzbetreiber den Angaben zufolge in Absprache entscheiden.

Atomland Frankreich in Stromnot

Und auch das Atomland Frankreich braucht verstärkt Strom aus dem Ausland, unter anderem vom Atomaussteiger Deutschland. Der Stromverbrauch war am Mittwoch in Frankreich fast die ganze Zeit doppelt so hoch wie in Deutschland, obwohl hier über 15 Millionen Menschen mehr leben. Ein Grund dafür sind die vielen Elektroheizungen in Frankreich, die bei der anhaltenden Kälte große Mengen Strom fressen. Gerade mittags und abends liegt der Verbrauch seit Wochenbeginn in Frankreich wiederholt bei knapp 100.000 Megawattstunden - so hoch wie nie zuvor.

Die französische Regierung sprach von einer Ausnahmesituation. Auf das Jahr hochgerechnet exportiere Frankreich mehr Strom als es importiere, betonte das zuständige Energieministerium. Ein Atomausstieg wird von Präsident Nicolas Sarkozy kategorisch ausgeschlossen und als viel zu teuer beurteilt.

Erster Härtetest für deutsche Energiewende

Deutschland hat derzeit - trotz Atomausstieg und Eiseskälte - genug Strom, um Frankreich vor einem Energieengpass zu bewahren. Seit Tagen liefert Deutschland, das nur noch über neun Atommeiler verfügt, Strom an das Nachbarland. "Die Energiewende hat den ersten Härtetest bestanden", sagte der deutsche Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Mittwoch im Bundestag. Deutschland exportiere derzeit täglich netto 150.000 bis 170.000 Megawatt-Stunden Strom.

Der Chef der deutschen Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, sagte zu "n-tv", nachdem Deutschland im Zuge des Atom-Moratoriums zum Stromimporteur geworden sei, führe man nun "gewaltige Mengen Strom auch nach Frankreich aus". "Das hängt natürlich damit zusammen, dass wir noch hohe Teile konventioneller Stromerzeugung haben, eben nicht nur die Erneuerbaren, sondern auch noch Kernenergie.

Geschmähter Solarstrom hilft Deutschland

Teilweise muss Frankreich derzeit mehr als 7000 MWh Strom importieren, um die Versorgung zu sichern. In Deutschland federt in hohen Verbrauchszeiten zu Mittag wegen der vielen Sonne der oft geschmähte Solarstrom Verbrauchsspitzen ab. Auch der Windstrom hat je nach Wetter einen Anteil daran, dass auch nach Stilllegung von acht AKW größere Probleme bisher ausblieben. Nach der Atomwende wegen der Fukushima-Katastrophe hatten Energiemanager betont, man werde nun dauerhaft von französischem Atomstrom abhängig sein.

RWE-Chef Jürgen Großmann warnte aber vor zu viel Euphorie, denn bei einem größeren Kraftwerksausfall könne die Lage auch schnell wieder ganz anders aussehen und brenzlig werden. Man fahre auf Sicht. "Niemand kann ein Interesse haben an einem großflächigen Blackout, der einen gigantischen volkswirtschaftlichen Schaden verursachen würde", sagte Großmann der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Frankreich gefährdet intakte Energieversorgung

Der deutsche Grünen-Politiker Hans-Josef Fell betonte, dass in Frankreich der hohe Verbrauch und mangelnde Anstrengungen für Energieeinsparungen für die angespannte Lage mitverantwortlich seien. "Frankreich gefährdet mit seiner atomlastigen Stromversorgung die europäische Energieversorgungssicherheit", sagte Fell.

(Ag.)

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