Bereit für die letzte Schlacht

Wahdat-Haghs breite Material- sammlung zum Totalitarismus des iranischen Regimes.

Wahied Wahdat-Hagh, promovierter Politikwissenschaftler aus Berlin, hat in früheren Arbeiten die institutionelle Herrschaftsstruktur des iranischen Regimes untersucht. Nun legt er den Fokus auf das ideologische Selbstverständnis der Mullahs und betont, dass die Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel ein zentraler Bestandteil der iranischen Staatsdoktrin sind. Der wissenschaftliche Mitarbeiter der „European Foundation for Democracy“ verweist darauf, dass
die Propaganda des Regimes auch in der EU Verbreitung findet, beispielsweise durch das deutschsprachige Programm des iranischen Rundfunks Irib. Angesichts dessen solle sich niemand „wundern, wenn der islamistische Antisemitismus auch in Europa ein immer größeres Problem wird“.

Mit der Verfolgung der Religion der Bahai rückt Wahdat-Hagh einen Aspekt in den Vordergrund, der in der bisherigen Berichterstattung chronisch unterbelichtet war. Khomeini hatte die Bahai schon in den 1960er-Jahren als „Handlanger“ der Israelis attackiert. Nach 1979 setzten staatliche Verfolgung und systematische Diskriminierung ein. Hunderte Bahais wurden hingerichtet. Die Besetzung staatlicher Ämter ist ihnen verboten, der Besuch von Universitäten untersagt. Immer wieder kommt es zu willkürlichen Verhaftungen und Übergriffen.

Vorbereitung auf die Endzeit

Wahdat-Hagh, der seine Kindheit in Teheran verbracht hat und dessen Vater aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Bahai-Religion vom Regime ermordet wurde, streicht die Brisanz des apokalyptischen Messianismus der iranischen Machthaber vor dem Hintergrund des Strebens nach der Technologie der Massenvernichtung heraus: Das Atomprogramm wird von einem Regime betrieben, „dessen Repräsentanten behaupten, dass der Frieden erst nach dem Ende der westlichen Vorherrschaft kommen könne. Überdies leben führende iranische Politiker in der Erwartung, dass der bald kommende Messias eine letzte Schlacht gegen das Böse in der Welt führen werde. Die iranische Gesellschaft wird auf diese messianistische Endzeit seit Jahren vorbereitet.“

Wahdat-Hagh betont, dass die westlichen Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran „nicht dem Wandel der Staatsstrukturen, sondern ihrer Stabilisierung“ dienen. Er beschreibt die systematische Drangsalierung von Frauen, die in der Verfassung verankerte Todesstrafe für Homosexuelle, die brutale Repression gegen Oppositionelle und die Produktion und Verbreitung antisemitischer Klassiker im Iran. Kaum etwas davon ist neu, aber es wurde wohl noch nie so akribisch mit Originalzitaten belegt.

Wahdat-Hagh macht zahlreiche persische Quellen für die Diskussionen im deutschsprachigen Raum zugänglich. Die Studie, der ein strukturierendes Lektorat gutgetan hätte, ist weniger aufgrund der fragwürdigen Analyse des iranischen Islamismus als Variante des Totalitarismus empfehlenswert, sondern in erster Linie als umfassende Materialsammlung, die einen guten Einblick in die mörderische Ideologie des iranischen Regimes gibt. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2012)

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