Gastronomische Aufwertung für den Stadtrand

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kleine, nette Cafés, die man eher im siebten Bezirk oder rund um den Karmelitermarkt vermuten würde, machen die einst biederen Bezirke Währing und Döbling für die junge, urbane Mittelschicht interessant.

Wien. Sie heißen Himmelblau oder Café Nest, erinnern ein bisschen an private Wohnzimmer und passen perfekt zum Zeitgeist – und auch in die Gegend. Die einst so biederen, um nicht zu sagen altbackenen Bezirke Währing und Döbling werden zunehmend für die urbane, junge Mittelschicht – einst nannte man sie Bobos – interessant. Was schon vor zehn Jahren in New York passierte und vor etwa fünf Jahren Berlin veränderte, ist jetzt mit der üblichen Verspätung auch in Wien angekommen. Immer mehr kleine, nette Lokale, die man eigentlich im siebten Bezirk, im Freihausviertel oder um den Karmelitermarkt vermuten würde, eröffnen am Stadtrand – und beleben ihn dadurch.

Vor zwei Wochen hat etwa Nicole Ott das Himmelblau am Kutschkermarkt in Währing eröffnet. Rosarote Lampen, eine himmelblaue Wolke an der Decke und hausgemachte Venusküsschen, Zitronenkuchen und Gugelhupf unter hübschen Glasglocken machen sofort deutlich: Hier soll man sich wohlfühlen. Alles, was nicht zur heilen Welt gehört – etwa Zigarettenrauch – muss draußen bleiben.

Glückliche Damen dank Patisserie

„Das Feedback ist wirklich gut. Ich höre immer wieder, dass das Café den Markt belebt und dass so etwas hier gefehlt hat“, sagt Ott, die an das Kaffeehaus auch gleich einen kleinen Shop namens „Tischlein deck dich“ angehängt hat. Dort können die Kunden – bis jetzt haben vor allem Mütter um die 30 und Damenrunden um die 50 das Lokal für sich entdeckt – Gewürze, Kochbücher, Taschen und Textilien in Pastellfarben kaufen. Im Kaffeehaus gibt es neben einer Frühstückskarte und einem wöchentlich wechselnden Mittagstisch auch eine Reihe an Süßigkeiten aus der hauseigenen Patisserie.

Auf Süßes haben sich auch die drei Bildhauer spezialisiert, die das 12 munchies am Aumannplatz betreiben. In dem kleinen Shop werden amerikanische und englische Mehlspeisen wie Brownies, Cup Cakes oder Scones verkauft, ein paar Tische laden zum Verweilen ein. „Wir wohnen ums Eck. Freunde fragen mich immer wieder, warum wir das nicht im siebten Bezirk gemacht haben, aber dort gibt es schon genug“, sagt Betreiber Ernst Koslitsch, der damit seine Wohngegend beleben wollte.

Das hat sich auch Maximilian Berggold gedacht, der vor wenigen Wochen mit seiner Frau Alice das Café Nest in Sievering eröffnet hat. Dort, wo bis 1970 die Straßenbahnlinie 39 endete (heute müssen die Sieveringer auf den Bus umsteigen), betreiben die Berggolds nun ein kleines, schlichtes Kaffeehaus. „Ich bin hier aufgewachsen und in den letzten 20 Jahren hat hier ein Geschäft nach dem anderen zugesperrt“, sagt Maximilian Berggold, der das angesichts der zahlreichen im Bau befindlichen Wohnhäuser nicht verstehen kann. Tatsächlich wirbt vis à vis ein Bauträger mit „sieben exklusiven Dachgeschoßwohnungen“, die dort gerade gebaut werden.

Fritz Cola und Makava Eistee

Berggold beschreibt sein Konzept als „möglichst unaufgeregt“, die Farben Rosa, Himmelblau und Lila sucht man hier vergeblich. Neben Kaffee, Biotee und kleinen Snacks gibt es – wie in jedem hippen Café am Karmelitermarkt auch – Astra Bier, Fritz Cola und Makava Eistee. Die Sieveringer nehmen das Angebot gern an, die lediglich 25 Plätze sind selten leer. Im Sommer soll es, ebenso wie im Himmelblau, einen kleinen Gastgarten geben.

Jörg Wagner sieht das gelassen. Das kleine Café Nest ist für ihn ebenso wenig eine Konkurrenz wie das benachbarte 12 munchies oder die neue Patisserie Hill in der Gentzgasse. Seit April betreibt er das stets gut besuchte Aumann, das Café, Restaurant und Bar in einem ist. „Im Grätzel tut sich derzeit einiges“, meint er. Die junge, urbane Mittelschicht, vor allem Mittdreißiger, die schon Familie haben, lassen sich hier nieder. Die Mieten sind – je nach Lage – noch leistbar, die Lebensqualität hoch. Und endlich gibt es auch schicke Cafés, in denen man sich treffen, auf einen Latte Macchiato oder ein Astra Bier gehen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2012)

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