Seit Jahren schon spart Wien zumindest offiziell beim Personal. Das kommt in der Öffentlichkeit gut an. Tatsächlich wurden statt der Beamten Leiharbeiter beschäftigt, die nur aus anderen Töpfen bezahlt wurden.
Warum lagert ein Spital wie das Wiener AKH einfache Tätigkeiten wie die Gebäudereinigung aus? Und musste das automatisch in jenem 50 Mio. Euro schweren Vergabeskandal enden, der die Staatsanwaltschaft seit fast zwei Jahren beschäftigt?
Die Antwort auf die zweite Frage lautet Nein. Die Begründung dafür steht in der Antwort auf Frage eins.
Seit Jahren schon spart Wien zumindest offiziell beim Personal. Das kommt in der Öffentlichkeit gut an. Und tatsächlich ist es dieser nur schwer zu vermitteln, warum – provokant formuliert – gut bezahlte und unkündbare Beamte Mülleimer entleeren sollen. Ausgerechnet im so kostspieligen Gesundheitswesen.
4 Beamte = 3 Leiharbeiter
Also entschied man in Österreichs größtem Spital schon 2003, es mit Personaldienstleistern zu versuchen. Im Rahmen einer denkwürdigen Sitzung kritzelte der ehemalige Personalchef eine simple Rechnung auf einen Zettel Papier. Demnach leisten drei angemietete Arbeitskräfte das, wozu es sonst vier Gemeindebedienstete braucht. Seither werden im AKH Personaldienstleistungen fleißig fremd vergeben. Warum eigentlich?
Weil die Arbeit im AKH immer mehr wird (Stichwort: überfüllte Ambulanzen), der Personalstand auf Wunsch der Landespolitik und des ihr unterstellten Krankenhausbetreibers KAV (Krankenanstaltenverbund) jedoch sinkt. So ging das Eigenpersonal im AKH zwischen 2008 und 2010 um über fünf Prozent auf 2037 Mitarbeiter zurück. Im selben Zeitraum verdoppelte sich das in Form sogenannter Arbeitskräfteüberlassung gemietete Fremdpersonal auf 754. Der Vorteil für das Budget des Hauses: Die Ausgaben wandern vom Personaltopf in den Sachaufwand.
Ein hoher KAV-Beamter bestätigte der „Presse“ diese bewussten Finanzrochaden. Der Vorteil für Politik und Gesundheitsmanager: Den Sachaufwand schaut in Wahrheit niemand so genau an. Das Kontrollamt bezeichnete die Aufzeichnungen über Fremdpersonal innerhalb des Teilbudgets als „sehr rudimentär“. Ein direkter Vergleich von Einsparungen bei den Beamten und Mehrausgaben bei den Leasingkräften sei gar nicht möglich.
Öffentlich haben sich KAV und AKH nie kritisch über den Postenplan geäußert. In einem Einvernahmeprotokoll der Korruptionsstaatsanwaltschaft lässt der AKH-Chef jedoch tief blicken.
So beklagt er sich gegenüber den Ermittlern: „Es ist ein deutlicher Wunsch der Stadt Wien, dass der Dienstpostenplan nicht ausgeweitet wird.“ Und: „Ich habe nur die Möglichkeit, mit Arbeitskräfteüberlassung Stellen zu schaffen.“ Fazit: „Zur Erhaltung des Betriebes braucht es überlassene Arbeitskräfte.“ Oder noch einfacher: Ohne Fremdpersonal müsste das AKH zusperren.
Durch eine solche Strategie geraten jene Beamte, die die für das Spital überlebenswichtigen Aufträge vergeben, mit einem Schlag in Machtpositionen. Das ist der Nährboden für Korruption. Die Anfälligkeit dafür wird umso größer, je mehr Fremdpersonal benötigt wird.
Laut Kontrollamt hat sich das AKH längst in eine Abhängigkeit gegenüber den Anbietern manövriert: Je nach Art der Tätigkeit reicht der Anteil der Fremdkräfte bis zu 54 Prozent. Ausnahme: Ärzte und Krankenpfleger. Ein Ende dieses Trends ist derzeit nicht abzusehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2012)