"Vatileaks" offenbart Machtkampf im Vatikan

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Vatikan Vatileaks Papst(c) REUTERS (Tony Gentile)
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Reformer gegen Traditionalisten - hinter den Kulissen tobt ein Machtkampf um die Nachfolge von Papst Benedikt XVI., berichten Kirchenbeobachter. Mit immer neuen Enthüllungen wollen sie den Gegnern schaden.

Die mächtigen Mauern des Vatikan haben einige undichte Stellen: Mit immer neuen Enthüllungen bekämpfen sich Traditionalisten und Reformer. Jüngster Höhepunkt war ein Brief, der angeblich ein Mordkomplott gegen Papst Benedikt XVI. beweisen soll. Der Vatikan bemüht sich zwar, die Gerüchteküche im Zaum zu halten, doch offenbar ist ein heißer Machtkampf um die Nachfolge des 84-jährigen Papstes entbrannt. "Wir müssen gute Nerven haben", sagte Vatikansprecher Federico Lombardi im Papstsender Radio Vatikan angesichts von "Dokumenten, die durchsickern, die Durcheinander und Befremden verursachen".

Immer neue Informationen über angebliche Korruption, undurchsichtige Geschäfte der Vatikanbank IOR und Verschwörungen unter Kardinälen sind an die Öffentlichkeit getragen worden. Italienische Medien sprechen in Anspielung auf die Enthüllungsplattform Wikileaks bereits von "Vatileaks". Selbst das Vatikanblatt "L'Osservatore Romano" hat sich in die Debatte eingebracht und im Editorial die Enthüller als unverantwortliche "Wölfe" bezeichnet. Auch Vatikansprecher Lombardi warnte davor, dass durch die Enthüllungen "der Vatikan, die Führung der Kirche und die Kirche selbst in schlechtem Licht dastehen".

Intern laufen Ermittlungen: Die päpstliche Gendarmerie sucht die Maulwürfe, die die Dokumente an die Öffentlichkeit weitergegeben haben. Vor allem diejenigen, die Zugang zu heiklen Dokumenten haben, werden verschärft kontrolliert.

Enthüllungsreigen

Begonnen hat der Enthüllungsreigen vor etwa einem Monat mit einem privaten Brief des Erzbischofs Carlo Maria Vigano an den Papst und Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Vigano war Generalsekretär des Governatorrats der Vatikanstadt und wurde als Nuntius nach Washington versetzt, nachdem er in dem Brief von einem Netz von Korruption, Verschwendung und Vetternwirtschaft unter Kardinälen gesprochen hat. Die Kirchenmänner sollen Ausschreibung zugunsten befreundeter Firmen verfälscht haben.

Weitere Enthüllungen betrafen die Finanzgeschäfte der Vatikanbank, die nicht genügend mit der italienischen Justiz zusammenarbeite, und ihre Rolle beim Kollaps der Banco Ambrosiano, deren Vorsitzender Roberto Calvi 1982 unter mysteriösen Umständen gestorben ist.

Jüngster Paukenschlag war ein angebliches Mordkomplott gegen den Papst selbst: Einem Bericht der Tageszeitung "Il Fatto Quotidiano" zufolge soll ein Kardinal bei einem privaten Besuch in Peking gesagt haben, dass der Papst "innerhalb von zwölf Monaten" sterbe und sein Nachfolger bereits feststehe. Vatikansprecher Lombardi bezeichnete die Gerüchte als "absurd und unseriös".

Machtkampf um Nachfolge von Papst Benedikt

Doch hinter den Kulissen gehe es weniger um die Offenbarung von möglichen kriminellen Machenschaften, sondern um einen Machtkampf im Vatikan, sagen Kirchenbeobachter gegenüber "Spiegel Online". Im April wird Benedikt XVI. 85 Jahre alt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Johannes Paul II. ist er bei guter Gesundheit, dennoch spekulieren manche bereits auf einen baldigen natürlichen Tod.

(BL)

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