Russlands Premier Putin rüstet Russland auf

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Der künftige Präsident will die Ausgaben für Rüstung und Militär erhöhen und erhofft sich einen Modernisierungsschub. Woher das Geld, etwa 580 Mrd. Euro, dafür kommen soll, bleibt offen.

Moskau. Es ist nicht nur eines seiner Lieblingsthemen; es ist auch eines der umstrittensten Themen im In- und Ausland. Gut möglich also, dass Russlands Premier Wladimir Putin aus diesem Grund erst weniger als zwei Wochen vor der Präsidentenwahl mit seinen Plänen herausgerückt ist. Am Montag legte er in einem Gastbeitrag für die staatliche Zeitung „Rossijskaja Gaseta“ dar, wie er sich als künftiger Präsident das russische Militär vorstellt. „Beispiellos“ werde das Ausmaß der Aufrüstung und der Modernisierung der Rüstungsindustrie im laufenden Jahrzehnt, hielt Putin fest: Insgesamt sage und schreibe 23 Billionen Rubel (etwa 580 Mrd. Euro) werde der Staat dafür ausgeben, was „die Ernsthaftigkeit unserer Absichten bestätigt“. Geplant sei unter anderem die Anschaffung von 400 Interkontinentalraketen und 600 Kampfflugzeugen sowie 2300 Panzern und 20 U-Booten.

„Stark zu sein ist die Garantie der nationalen Sicherheit“, betitelt Putin seine Ausführungen. In der Argumentation greift er dabei sogar auf den Zweiten Weltkrieg zurück, als das Land „mangelnde Bereitschaft mit riesigen menschlichen Verlusten“ habe bezahlen müssen. Aktuell nimmt er Bezug auf „Versuche, in unmittelbarer Nachbarschaft Russlands Kriege zu schüren“, ohne ein konkretes Land zu nennen. Bezug nimmt er aber auch auf den von NATO und den USA geplanten Raketenabwehrschild in Europa. Russland, das sich gegen dieses Vorhaben wehrt, war im Herbst mit seinen Verhandlungsbemühungen gescheitert und kündigte daher eine asymmetrische Antwort an. Das Land müsse sein Luft- und Weltraum-Abwehrsystem stärken, schreibt Putin: In dieser Frage könne es nicht „zu viel Patriotismus“ geben.

Neue alte Vorschläge

Was wie ein gewaltiges Statement für einen neuen Rüstungswettlauf daherkommt, ist freilich weitgehend eine Zusammenfassung von Vorschlägen, die im Vorjahr aufs Tapet gebracht worden sind. Eine Antwort bleibt Putin schuldig: „Das Hauptproblem ist die Quelle der Finanzierung“, erklärt Alexej Makarkin vom Moskauer Zentrum für Politische Technologien auf Anfrage der „Presse“. In der Tat hat die Diskussion über die geplanten Militärausgaben, die binnen zehn Jahren 40 Prozent eines russischen Jahresbruttoinlandsproduktes verschlingen werden, zu massiven Differenzen in der Elite geführt. Auch das Ausscheiden von Finanzminister Alexej Kudrin aus der Regierung im Herbst steht damit im Zusammenhang. Kudrin hat die Vorhaben vehement gegeißelt, weil das Geld dafür angesichts der Krise schwer aufzutreiben sei und aus anderen Bereichen wie Bildung abgezogen werde. Putin freilich argumentiert nun damit, dass die Streitkräfte in den 1990er-Jahren sträflich vernachlässigt worden seien, während andere Staaten aufgerüstet hätten – ein Faktum, das zu jenen Schwächen geführt habe, derer sich Russland im Zuge des Fünftagekrieges gegen Georgien 2008 bewusst geworden sei.

Neben dem Aufholen freilich hängt Russlands Staatsführung dem Konzept an, dass das Militär jener Sektor sei, der jene Nachfrage nach innovativen Produkten generiere, die im zivilen Leben nicht da seien. So gesehen gilt die Armee auch als Zugpferd für eine Modernisierung der Wirtschaft. In der Tat kombiniert Putin in seinem Gastbeitrag die Verteidigungsbereitschaft mit der Konkurrenzfähigkeit der eigenen Rüstungsindustrie. Und er plädiert dafür, vereinzelt und gezielt Technologie im Ausland dort zuzukaufen, wo eigene Technologie fehle – nicht um die eigene Produktion zu ersetzen, sondern um sie zu stimulieren.

Auch akzentuiert Putin das Jahrhundertprojekt, die Riesenarmee sukzessive von der allgemeinen Wehrpflicht zu befreien und zu einer Berufsarmee hin zu verwandeln. Derzeit dienen über eine Million Soldaten, wobei etwa ein Drittel davon Berufssoldaten sind. 2017 sollten bereits 70 Prozent aus Berufssoldaten bestehen. Die Wehrpflicht gilt in Russland oft als Horror, weil als Initiationsriten verhüllte Gewaltexzesse zu Verletzungen und mitunter gar zum Tod führen.

In Zahlen

Russlands Arsenal. In den kommenden zehn Jahren sollen nach einer Absichtserklärung von Wladimir Putin umgerechnet 590 Milliarden Euro in die Armee investiert werden: 400 Interkontinentalraketen, acht Atom-U-Boote, 50 Kriegsschiffe, 600 Flugzeuge und mehr als 1000 Helikopter sollen geliefert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2012)

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