Die Durchsuchungen bei Grassers Steuerberater wurden mangels dringenden Tatverdachts als Gesetzesverletzung gewertet.
Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat die an den Firmen- und Privatadressen des ehemaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser durchgeführten Hausdurchsuchungen vom 26. Mai 2011 für rechtmäßig erklärt. Das bestätigte OLG-Sprecher Leo Levnaic-Iwanski. An der gerichtlich bewilligten Durchsuchung von Räumlichkeiten in Wien, Kärnten und Tirol waren mehr als 60 Beamte der Steuerfahndung und des Bundeskriminalamts beteiligt. Gegen den Ex-Finanzminister steht bekanntlich auch der Verdacht der Steuerhinterziehung im Raum.
Demgegenüber waren die Hausdurchsuchungen, die am Wohnsitz von Grassers Steuerberater Peter Haunold sowie in dessen Büroräumlichkeiten durchgeführt wurden, rechtswidrig. Grund dafür: Bei Haunold, der als möglicher Beitragstäter zu Grassers Finanzvergehen geführt wird, wäre ein "dringender Tatverdacht" notwendig gewesen, um eine Hausdurchsuchung gegen seine privilegierte Stellung als Berufsgeheimnisträger durchzusetzen. "Es hätte eines fundierten, intensiven Tatverdachts bedurft. Einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass er nicht nur Verdächtiger, sondern Täter ist", erläuterte Levnaic-Iwanski.
Da das OLG zum Schluss kam, dass davon nicht auszugehen war und kein "höhergradiger Verdacht" besteht, wurden die Nachschauen an der Privatadresse Haunolds sowie in den Räumlichkeiten der Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte, wo er beschäftigt ist, als Gesetzesverletzung gewertet.
35 Kartons beschlagnahmt
Demgegenüber konnte nach Ansicht des OLG der Tatverdacht bei Grasser "nicht entkräftet werden", weshalb bei ihm die Hausdurchsuchungen vom Gesetz gedeckt waren. 35 Kartons mit Unterlagen und Laptops waren damals beschlagnahmt worden.
Dass der zuständige Haft- und Rechtschutzrichter bei Grasser neben der Hausdurchsuchung zusätzlich auch die Sicherstellung bewilligt hatte, war allerdings insofern problematisch, als dies rechtlich gar nicht vorgesehen bzw. nicht mehr erforderlich ist. Der Richter habe in diesem Punkt zu Unrecht eine Kompetenz zur Entscheidung über Sicherungsmaßnahmen angenommen, "womit gegen grundlegende Verfahrensvorschriften verstoßen wurde", stellte daher das OLG fest. Diese Maßnahmen wären "nicht gerichtlich zu bewilligen gewesen".
Amtshaftungsklage angekündigt
"Diese Unterlagen sind somit offensichtlich amtsmissbräuchlich beschlagnahmt worden und später auch amtsmissbräuchlich in die Medien gelangt", interpretierte Grasser-Anwalt Manfred Ainedter die OLG-Entscheidung. Er gab sich im Gespräch mit der APA kämpferisch: "Das wird Amtshaftungsansprüche nach sich ziehen."
Faktum ist jedoch, dass im Rahmen einer bereits genehmigten Hausdurchsuchung eine Anordnung einer Sicherstellung keiner ausdrücklichen gerichtlichen Bewilligung mehr bedarf, sondern eine Maßnahme der Staatsanwaltschaft darstellt, die von der Polizei umzusetzen ist.
Da die Hausdurchsuchung im Gesamten laut OLG rechtens war, dürfte die "Fleißaufgabe" des betreffenden Richters keine weiteren unmittelbaren Rechtsfolgen nach sich ziehen.
(APA)