CONTRA: Die Tage der Leitwährung Dollar sind gezählt

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An employee counts U.S. dollar banknotes at a branch of the Industrial and Commercial Bank of China i(c) REUTERS (Stringer Shanghai)
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CONTRANicht nur ihr "AAA" haben die Amerikaner verloren. Auch die Ära der unangefochtenen Leitwährung US-Dollar neigt sich dem Ende zu.

Die USA führen die Welt finanzpolitisch an. Immer noch werden deutlich mehr als 60 Prozent der Weltwährungsreserven in Dollar gehalten. Dennoch, es mehren sich die Zeichen, dass die Tage des Dollar als weltweite Leitwährung gezählt sind: Bei der Ratingagentur S&P haben die USA ihre Bestnote "AAA" verloren. Und mit China und Japan haben die zweit- und drittgrößte Volkswirtschaft der Erde beschlossen, künftig vermehrt in ihren eigenen Währungen zu handeln. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Folgende Argumente erklären, warum die Leitwährung US-Dollar ein Ablaufdatum hat.

  • Desaströser Staatshaushalt

Eine Leitwährung basiert vor allem auf Vertrauen in die Stabilität der dahinter stehenden Volkswirtschaft. US-Ökonom Jim Angel brachte es in der "Washington Post" auf den Punkt: "Es ist nicht so, dass Gott vor Moses auf dem Berg Sinai erschienen ist und sagte: Die USA werden immer 'AAA' sein. Unsere Reputation ist etwas, das wir uns verdient haben." Und der Ruf der USA hat sich während des Schuldenstreits im Jahr 2011 nicht gerade verbessert. Der Vertrauensverlust gipfelte darin, dass die USA bei der Ratingagentur S&P die Bestnote "AAA" verloren haben.

Damit schwindet auch das Vertrauen in den Dollar: Der desaströse US-Haushalt zwingt Inhaber von Dollar-Reserven, die Anlagen stärker zu streuen und auf andere Währungen zu verteilen. Im Zuge der US-Schuldenkrise könnte der Dollar innerhalb der kommenden 25 Jahren daher den Stellenwert als internationale Leitwährung verlieren. Zu diesem Fazit kam auch eine Befragung der Schweizer Bank UBS unter 80 Zentralbankern und Staatsfondsmanagern.

  • Gelddruckmaschine Fed schwächt Dollar

Die laxe Geldpolitik der US-Notenbank schwächt den Dollar. "Quantitative Easing" heißt das Werkzeug, mit dem die Fed seit Ausbruch der Finanzkrise hantiert. Es bedeutet nichts anderes, als dass die Fed mit frisch gedruckten Dollar Staatsanleihen aufkauft und so zusätzlich Liquidität in die Finanzmärkte pumpt. Mit jeder Banknote, den die Notenbanker in den Geldkreislauf bringen, verliert der Dollar an Wert.

Diese Dollar-Schwäche ist für den Rest der Welt ein Problem. Die Nationen, deren Währungen dadurch an Wert gewinnen, sind weniger konkurrenzfähig - was diese nicht hinnehmen wollen. Der Dollar hat in den vergangenen Jahren schon deutlich an Wert verloren - gegenüber fast allen wichtigen Währungen. Das zeigt auch ein Blick auf die Zehnjahres-Charts. Rund 33 Prozent hat der Dollar beispielsweise seit 2002 gegenüber dem Euro verloren - und das trotz Euro-Schuldenkrise.

  • Größter Gläubiger China verliert die Geduld

Ende 2011 kündigten China und Japan an, untereinander verstärkt in ihren eigenen Währungen zu handeln. Lassen sie Taten folgen, würde das den Dollar schwer treffen. Schließlich handelt es sich um die zweit- und die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Waren im Wert von 570 Milliarden Dollar werden jährlich zwischen Tokio und Peking ausgetauscht. Das entspricht rund vier Prozent des Welthandels.

Mit fast 1,2 Billionen Dollar US-Anleihen ist China zudem der größte Gläubiger der USA. Ein schwacher Dollar kostet der Volksrepublik also bares Geld, das sie in einem sicheren Hafen geparkt sehen will - und als solcher taugen die USA möglicherweise nicht mehr.
China macht schon länger keinen Hehl daraus, dass es eine neue globale Leitwährung unter Aufsicht des IWF für erforderlich hält. Die chinesische Zentralbank erklärte, die Krise habe gezeigt, wie gefährlich es sei, sich auf die Währung eines einzigen Landes zu verlassen. Anstelle einer Leitwährung soll daher ein Währungskorb eingeführt werden.

  • Mehrere ebenbürtige Währungen

Nicht nur China schlägt in diese Kerbe, auch die Weltbank - die mit Robert Zoellick immerhin von einem Amerikaner geführt wird. "Die gegenwärtige Dominanz des Dollars könnte um das Jahr 2025 herum zu Ende gehen und durch ein Währungssystem ersetzt werden, in dem der Dollar, der Euro und der Yuan als ebenbürtige Währungen gelten", prognostizieren Weltbank-Experten in einer Studie. Auch der deutsche EZB-Direktor Jörg Asmussen spricht schon seit längerem von einem "Währungssystem im Übergang".

Die "Süddeutsche Zeitung" blickt in einer Analyse ähnlich in die Zukunft. Wahrscheinlich sei folgendes Szenario: „Die Zentralbanken lösen ihre allzu enge Bindung an den Dollar und schichten um - in Euro (heute), Yuan (morgen) und auch ein wenig in Gold. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits, dass Schwellenländer ihre Edelmetallreserven aufstocken."

Und damit wären wir wieder am Anfang: Eine Leitwährung basiert vor allem auf Vertrauen in die dahinter stehenden Volkswirtschaft. Und eine Volkswirtschaft, der am Markt uneingeschränkt Vertrauen entgegengebracht wird, gibt es heute nicht mehr.

>>PRO: Die Vorherrschaft des Dollar bleibt

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"PRO und CONTRA"

Die Serie "PRO und CONTRA" ist eine Sammlung von Für- und Wider-Argumenten zu einem aktuellen Thema, die nicht die Meinung der Autoren widerspiegelt.

(sk)

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