Wien: Materialfehler als Ursache für Ammoniak-Leck

AMMONIAK-AUSTRITT IN WIEN
AMMONIAK-AUSTRITT IN WIEN(c) APA/Philipp Schalber (Philipp Schalber)
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Ein Leck in einer Großkühlanlage hat im dritten Bezirk am Dienstag für einen Großeinsatz gesorgt. Über 60 Menschen wurden leicht verletzt.

Nach dem Chemieunfall im "Wiener Kühlhaus" im Bezirk Landstraße am Dienstagabend mussten Feuerwehr und Rettung am Mittwochvormittag noch einmal ausrücken: Aus einer benachbarten Filiale des Textil-Handelunternehmens Astro am Franzosengraben 9 wurden zehn Personen in Spitäler gebracht.

Die Maßnahme dürfte vorsorglich getroffen worden sein. Offenbar wurden zehn Leichtverletzte behandelt, einer davon in ein Spital gebracht.

Großeinsatz am Dienstagabend

Ein daumengroßes Leck im Kreislauf einer Großkühlanlage bei der Ecke Franzosengraben-Baumgasse hatte am Dienstagabend zu einem Großeinsatz geführt. Aufgrund des austretenden Ammoniaks wurde die Umgebung teilweise evakuiert, zudem wurden die Anrainer aufgefordert, in den Wohnungen zu bleiben. Schließlich gelang es, das Loch abzudichten. Ein Materialfehler in einem Pumpenflansch gilt laut "Wiener Kühlhaus" als wahrscheinliche Ursache des Lecks .

Nach der jüngsten Bilanz der Rettung wurden 62 Personen leicht verletzt, vor allem Einsatzkräfte: Zwölf wurden ambulant behandelt, 50 in die umliegenden Krankenhäuser gebracht. Dazu kommen noch die eingangs erwähnten zehn Personen, die am Mittwochvormittag behandelt wurden.

Von den 50 in die Spitäler eingelieferten Personen 18 stationär aufgenommen. Diese wurden in die Lungenabteilungen des AKH, Wilheminen Spitals, Otto Wagner Spitals sowie Donauspitals gebracht. "Glücklicherweise ist keiner von ihnen schwer verletzt", sagt Krankenanstalten-Sprecherin Conny Lindner.

Leck nach drei Stunden abgedichtet

Die Feuerwehr war kurz vor 18 Uhr alarmiert worden. Menschen klagten über Augenschmerzen und Atemnot. An die Anrainer wurde appelliert, die Fenster geschlossen zu halten und in den Wohnungen zu bleiben. Straßen wurden großräumig gesperrt, die Leute per Lautsprecher aufgefordert, die Straßen zu verlassen. Die Feuerwehr löste Alarmstufe zwei aus und war mit etwa 80 Mann sowie ihren spezialisierten Chemikern im Einsatz.

Gegen 20.45 Uhr wurde das Leck von Technikern der Firma "Wiener Kühlhaus" in Zusammenarbeit mit den Experten der Feuerwehr, ausgerüstet mit Gasschutzanzügen, abgedichtet. Wie Feuerwehroffizier Christian Feiler am Mittwoch sagte, war das Leck in der Nähe eines Flansches - der Verbindung zweier Rohrteile - entstanden. Das Ammoniak trat "hochgradig" aus. Man müsse sich das ganze System wie einen überdimensionalen Kühlschrank vorstellen - hier gäbe es auch nicht alle 20 Zentimeter ein Ventil.

Zudem könne man durch unsachgemäßes Hantieren noch größeren Schaden anrichten. So kamen Leckdichtkissen zum Einsatz, die zusätzlich durch Ratschengurte fixiert wurden.

Konzert in der Arena abgesagt

In der Arena wurde das Konzert der Gruppe Eisbrecher abgesagt, das nahe Etap-Hotel auf dem Franzosengraben geräumt, die Gäste in anderen Häusern untergebracht. Nach Ende der Vorstellung des Musicals "Cats" im Zelt auf dem Medienareal Neu Marx sorgten Einsatzkräfte für eine rasche Abreise der Besucher. Ein Betroffener kritisierte, dass sie nicht über das Geschehen informiert wurden. Ihnen wurde lediglich von einem Feuerwehreinsatz erzählt, jedoch nichts über die genauen Hintergründe. Einige Fans konnten nicht mehr zum Auftritt von Tim Bendzko in den Gasometer vordringen.

Die Wiener Rettung war mit dem gesamten Katastrophenzug ausgerückt. "Ammoniak führt schon bei geringem Kontakt mit den Schleimhäuten zu Hustenanfällen und Tränenfluss", erklärte Dieter Sebald, interimistischer ärztlicher Leiter. Die Symptome ließen sich gut behandeln, die Helfer hätten über ausreichende Medikamente verfügt. Allerdings: Bei ein "paar Atemzügen zu viel" können auch - durchaus behandelbare - Spätfolgen "wie das gefürchtete toxische Lungenödem" auftreten.

Ammoniak

Ammoniak, oder NH3, ist ein farbloses Gas mit stechendem Geruch. Wenn Menschen es einatmen, kommt es zu Reizungen der Atemwegen, in höherer Konzentration kann es zu Verätzungen, Erstickungsanfällen und Lungenödemen kommen. In der Natur entsteht das Gas laut der Homepage ammoniak.org nur in kleineren Menngen durch Zerfallsprozesse in Laub oder Tierkot. Ammoniak ist allerdings eine der meistproduzierten Chemikalien der Welt. Mehr Infos ...

Straßen und U-Bahnlinie gesperrt

Im Zuge der Maßnahmen war es zu umfangreichen Straßensperren gekommen. Größere Staus blieben laut ÖAMTC aus. Die U-Bahn-Linie U3 verkehrte nur zwischen Ottakring und Kardinal-Nagl-Platz, die Straßenbahnlinie 18 wurde kurzgeführt. Die Wiener Linien nahmen aber kurzfristig nach Ende der Show im Gasometer den U-Bahn-Verkehr auf, um die Besucher rasch wegzubringen. Taxis waren keine mehr zu bekommen. Viele Fußgänger warteten entlang der Sperrzone zunächst an den Haltestellen, machten sich dann aber zu Fuß auf den Weg.

(Agr./Red.)

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