Mit Mode, Design, Gourmet, Reise und Kultur überdauern Supplements tagesaktuelle Themen einer Zeitung. Aber Beilagen können noch mehr.
Die genaue Geburtsstunde lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Es muss vor ziemlich genau hundert Jahren gewesen sein, zur Hochblüte der SchwarzWeiß-Fotografie, noch gut drei Jahrzehnte bevor sich die Farbfotografie durchsetzen sollte, als die ersten US-amerikanischen Verleger damit begannen, ihren Tageszeitungen einmal im Quartal oder Monat, später sogar in der Woche, prachtvoll gestaltete Sonderseiten beizulegen. Die Texte darin waren meistens mehrere Seiten lang, reich bebildert, aufwendig gestaltet, und die Themen nicht so sehr von der Tagesaktualität getrieben wie in der täglichen Ausgabe. Das „Supplement“ war geboren, gedruckt war es damals allerdings noch auf Zeitungspapier. Als einer seiner Geburtshelfer gilt bis heute der Verleger Wiliam Randolph Hearst, der seinem „New Journal“ Anfang des 20. Jahrhunderts das „Sunday Supplement“ beilegte. Auch wenn Hearsts Ruf als Gründer mehrerer reißerischer Boulevardzeitungen nicht der beste war, galt er als geschickter Geschäftsmann, der früh erkannte, wie er die Leser an seine Zeitungen binden konnte.
Die große Zeit des Supplements sollte allerdings erst in den 1950ern folgen. Nach zwei Weltkriegen befand sich die US-amerikanische Wirtschaft erstmals spürbar im Aufschwung, die Werbeagenturen in der New Yorker Madison Avenue expandierten, die Etats wurden größer. Und die Verlage erkannten, dass die Leser, vor allem die weiblichen, sich neben den politischen und wirtschaftlichen Analysen auch für andere Dinge entschieden. Mit dem gewonnenen Wohlstand und dem Anwachsen der Freizeit von Angestellten und Arbeitern wuchs das Interesse an Reisen, Mode, gutem Essen, Freizeitideen für die Familie und Kultur. Die Supplements hießen „American Weekly“, „This Week“, „Parade“ und „Family Week“ und erreichten innerhalb weniger Jahre Millionenauflagen. Nur wenige Jahre später schwappte der neue Zeitungstrend auch nach Europa, wo zuerst in Großbritannien die überregionalen Qualitätszeitungen ihren Lesern etwa mit dem „Sunday Times Magazine“, dem „Telegraph Sunday Magazine“ vor allem am freien Sonntag mehr Lesestoff bieten wollten als unter der Woche.
Die Beilage zum Tagesgericht. Mit ein wenig Verzögerung erreichte das Supplement Anfang der Siebzigerjahre auch den Rest Europas. Im Deutschen werden die Magazine bis heute als „Beilage“ bezeichnet, was das Wesen der bunten Extraseiten ziemlich genau auf den Punkt bringt: Es ist das bisschen Mehr an Information, das nicht unbedingt sein muss, aber das Leben schöner und vielfältiger macht. Das „Schaufenster“ der „Presse“ erschien bereits ab 1974 einige Jahre als Teil des Samstagsfeuilletons „Spectrum“ (gewissermaßen auch eine eigene Beilage) und ab Februar 1977 als eigenständige Farbbeilage. „Die Presse“ war damals eine der ersten Zeitungen und jedenfalls die erste Qualitätszeitung in Österreich, die den angloamerikanischen Printtrend aufgriff und umsetzte.
Heute unterscheidet man drei Typen des Supplements: Die Programmsupplements, also TV- und Programmzeitschriften, sind mit Abstand die größte Gruppe der Beilagen, gefolgt von den unterhaltenden oder meinungsbildenden Supplements, zu denen auch das „Schaufenster“ gehört, und den Fachzeitschriften-Supplements.
Preisverdächtig und schön. So wie der deutsche Verlag Gruner + Jahr einst seine neue Wochenillustrierte „Stern“ als bunten Strauß an verschiedenen Themen bewarb, lässt sich die Beilage einer Tageszeitung als bunter, aber sorgfältig drapierter Blumenstrauß aus verschiedenen Geschichten über Mode, Kosmetik, Design und Reise, Gastronomie und dem Kulturprogramm beschreiben. Ein buntes Print-Bouquet sozusagen. Zudem ist die Beilage bis heute ein Versuch der Zeitungsverleger, mit Hochglanzfotos und aufwendig produzierten Modestrecken, den langen Reisereportagen und den vertieften Gesellschaftsreportagen oder den pointierten Kolumnen, dauerhafter als ein Tag zu sein. Ein Wochenmagazin lebt länger als die Tageszeitung. Deshalb werden Autoren, die für renommierte Supplements wie das „T Magazine“ der „New York Times“ oder das „Süddeutsche Magazin“ schreiben, regelmäßig für ihre Reportagen ausgezeichnet. Manche Blätter gehen auch Kooperationen ein: So liegt das „Z Magazin“ der „Neuen Zürcher Zeitung“ seit einiger Zeit auch der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bei, die ihr eigenes Wochenmagazin schon vor vielen Jahren aus wirtschaftlichen Gründen einstellen musste.
Apropos Wirtschaft: Das Geld spielt bei den bunten Seiten natürlich auch eine Rolle. Die Farbbeilagen mit ihrer viel besseren Druckqualität als in der Tageszeitung sind auch ein Angebot an die Werbewirtschaft, Anzeigen zu schalten. Nicht umsonst gelten die Beilagen der meisten Verlagshäuser als gewinnbringend, und das, obwohl die Produktion der Modestrecken und die monatelange Recherche für Hintergrundreportagen teuer sind. Ein Aufwand, der sich aber lohnt: Zahlen bestätigen, dass Zeitungen an den Tagen mit Beilage weitaus mehr Leser und damit Auflage haben als an den anderen Tagen der Woche.