Italien: Zehn Tage retten Berlusconi vor dem Gefängnis

Italien Zehn Tage retten
Italien Zehn Tage retten(c) AP (Luca Bruno)
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Silvio Berlusconi war wegen Korruption angeklagt, Italiens Ex-Premier entging jedoch wegen Verjährung einer Verurteilung. Drei weitere Strafverfahren könnten aber eine solche bringen.

Rom. Italiens früherem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ist es erneut gelungen, aus einem Strafverfahren ohne Verurteilung hervorzugehen. Nach fünfjähriger Prozessdauer sah sich ein Mailänder Gericht am Samstag nicht in der Lage, einen Schuldspruch zu fällen, weil das Delikt vor zehn (!) Tagen verjährt sei.

In dem Verfahren um den britischen Anwalt David Mills war Berlusconi wegen Korruption angeklagt. Er soll dem Steuerexperten in den 1990er-Jahren 600.000 US-Dollar für eine Falschaussage vor Gericht gezahlt haben, um seinen Konzern Fininvest vom Verdacht zu entlasten, riesige Summen Schwarzgelder auf Offshorekonten geparkt zu haben.

Das Urteil bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht von Berlusconis Unschuld überzeugt war. Er hatte zwar stets bestritten, die Tat begangen zu haben und Mills überhaupt zu kennen. Mills war jedoch in einem abgetrennten Verfahren bereits in zwei Instanzen für schuldig befunden worden. Das Oberste Gericht Italiens hob die Gefängnisstrafe gegen ihn schließlich auf – ebenfalls wegen Verjährung. Dass das Geld geflossen ist, steht außer Frage, strittig ist nur, von wem Mills es erhalten hat.

Tief enttäuscht reagierte Chefankläger Fabio de Pasquale auf den Urteilsspruch. „Kein Kommentar, ich will nur hier heraus“, zischte er den wartenden Journalisten zu. Die Staatsanwaltschaft erwägt nun, Berufung einzulegen. Sie ist der Meinung, dass die Verjährung noch nicht eingetreten sei. Die Anklage hatte fünf Jahre Haft für den 75-Jährigen gefordert.

„Frei erfundene Anklage“

Doch auch Berlusconi und seine Anwälte sind unzufrieden. Er selbst war der Urteilsverkündung fern geblieben. Noch am Tag zuvor ließ er eine Schimpftirade gegen die Justiz los. Die Anklage sei „frei erfunden“. Über 100Prozesse seien gegen ihn geführt worden, 900Richter und Staatsanwälte beschäftigten sich seit Jahren mit ihm. „Das ist ein Rekord, nicht nur auf weltweitem, nicht universalem Niveau, sondern im ganzen Sonnensystem.“

Der Gerechtigkeit sei nur zur Hälfte Genüge getan, kommentierte er das Urteil. „Jetzt müssen wir anfangen, die Justiz zu reformieren.“ Auch seine Anwälte Niccolò Ghedini und Piero Longo zeigten sich nicht ganz zufrieden. „Das ist immerhin ein erster Erfolg“, sagte Ghedini. „Berlusconi hätte einen vollen Freispruch verdient.“

Dass es zu einer Verjährung kommen konnte, ist jedoch auch ihr Verdienst. Seit Jahren haben seine Anwälte alles versucht, damit er sich den Fängen der Justiz entziehen kann. Bereits im Jahr 2005 sorgte die damalige Regierung Berlusconi dafür, dass die Verjährungsfristen verkürzt werden. Davon hat Berlusconi nun ebenso profitiert wie von diversen Gesetzen, die ihm Immunität verschaffen sollten. Zwar wurde die letzte dieser Regelungen für verfassungswidrig befunden, doch konnte Berlusconi mehrmals seinen Prozessen fern bleiben, wenn er wichtige Amtspflichten nachwies. Das Verfahren dehnte sich dadurch in die Länge, zumal die italienische Justiz unendlich schwerfällig arbeitet.

Anklage wegen Prostitution

Gegen Berlusconi, der im November unter dem Druck der Eurokrise zurücktreten musste, laufen nun noch drei weitere große Verfahren. Im spektakulärsten wird ihm Prostitution mit der damals minderjährigen Karima el-Mahroug, besser bekannt als „Ruby“, und Amtsmissbrauch vorgeworfen.

Seine politischen Ambitionen aber hat Berlusconi noch nicht aufgegeben. Dass er bei den nächsten Wahlen im Frühjahr 2013 nochmals für das Amt des Ministerpräsidenten kandidiert, gilt derzeit als ausgeschlossen. Doch muss im kommenden Jahr auch ein neuer Staatspräsident gewählt werden, und Berlusconi macht sich nach wie vor Hoffnungen, seine Karriere mit diesem Amt zu krönen.

Auf einen Blick

Silvio Berlusconi entging am Samstag einem Strafurteil, weil die Tat um nur zehn Tage verjährt war. Seine Regierung hatte einst die Verjährungsfrist deutlich verkürzt. Der Staatsanwalt ist verärgert. Jetzt warten allerdings noch drei weitere Prozesse. Im davon spektakulärsten muss er sich wegen Prostitution und Amtsmissbrauch verantworten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2012)

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