Schuldenkrise: EZB kauft derzeit keine Staatsanleihen

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Notenbanker Ewald Nowotny erklärte in London das EZB-Programm für vorläufig beendet. Von einem dauerhaften Ende möchte der Österreicher nicht sprechen. Auch zu Österreich äußerte sich Nowotny.

London/Wien/Lill/Stef. An der London School of Economics (LSE) trug der österreichische Notenbankgouverneur Ewald Nowotny Montagabend über die „Zukunft der Eurozone“ vor. Er äußerte sich unter anderem zur zweiten Runde des Programms zur Refinanzierung europäischer Geldhäuser. Außerdem erklärte das Mitglied des EZB-Rats, dass die Zentralbank bereits seit zwei Wochen keine Staatsanleihen europäischer Krisenländer mehr kauft.

Billige Kredite keine Dauerlösung

Zum am Mittwoch in die zweite Runde gehenden Refinanzierungsprogramm kündigte Nowotny an, dass dies keine permanente Praxis sei. Ganz abschaffen werde die EZB das Programm dennoch nicht. Im Zuge des „langfristigen Refinanzierungsgeschäfts“ LTRO lobte Nowotny, dass sich im Dezember 523 Geldhäuser Europas 489 Milliarden Euro ausgeliehen haben. Für dreijährige Kredite wird dabei ein Zins von bloß einem Prozent verlangt. Schätzungen über die Höhe der Inanspruchnahme der zweiten Runde variierten zuletzt zwischen 500 Mrd. Euro und der doppelten Summe. Laut Nowotny gibt „das Programm dem Markt Sicherheit“.

So zeige das LTRO beispielsweise in Bezug auf Italien erfreuliche Effekte, weil die Renditen auf zehnjährige Staatsanleihen seit der Bereitstellung der günstigen Kredite deutlich zurückgegangen seien. Die langfristige Linie der EZB stelle diese Politik allerdings nicht dar. Zwar wolle die Zentralbank das Programm weiterhin „als Reserve“ halten. „Wir beabsichtigen aber nicht, es weiter zu nutzen.“ Dazu gebe es derzeit keinen Anlass.

Und auch mit einer weiteren interessanten Neuigkeit die EZB-Politik betreffend wartete Nowotny auf. Seit zwei Wochen habe die EZB keine Staatsanleihen mehr gekauft. Das war seit August des Vorjahres nicht mehr der Fall. Zwar könne er nicht ausschließen, dass die Zentralbank bei Bedarf wieder Staatsanleihen von Problemländern wie Italien und Spanien am Sekundärmarkt aufkaufe. Derzeit allerdings sei auch dieser Plan bloß in „Reserve“.

Aktuell hält die EZB Staatsanleihen von europäischen Problemstaaten im Wert von mehr als 200 Mrd. Euro. Kritiker merken seit Längerem an, dass die Zentralbank damit indirekt Staaten finanziere, was ihr eigentlich per Statut untersagt sei. Die Notenbank wiederum beruft sich darauf, dies lediglich auf dem Sekundärmarkt zu tun. Es handle sich um keine direkte Finanzierung der Staaten.

Die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen von Italien, Spanien sowie den restlichen Euroländern reagierten am Dienstag auf Nowotnys Ankündigung kaum. Beobachter verweisen darauf, dass die EZB den Banken im Zuge des aktuellen Kreditprogramms viel Geld zur Verfügung stelle. Damit würden viele Institute ohnehin Staatsanleihen kaufen, was die Renditen niedrig halten soll.

Keine Sorge um Osteuropa

Auch zu Österreich äußerte sich Nowotny im Rahmen seiner Rede in London. Er wiederholte eine bereits geäußerte Kritik an den Ratingagenturen. „Osteuropa bleibt die Wachstumsregion der Europäischen Union. Daher ist das Engagement der Banken aus Österreich für beide Seiten ein Gewinn.“

Dass Ratingagenturen wie Standard&Poor's oder Moody's das österreichische Bankengeschäft in der Region vor allem als Risiko einschätzen, kann der Nationalbankgouverneur nicht nachvollziehen. Die entsprechenden Länder, allen voran die Tschechische Republik, seien „ökonomisch stabil“, meint Nowotny.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2012)

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