Frankreich: Kein neuer Anlauf für "Völkermord"-Gesetz

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Frankreich Kein neuer Anlauf(c) AP/Burhan Ozbilici
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Die armenische Gemeinschaft ortet in der Verhinderung des umstrittenen Genozid-Gesetzes eine Kapitulation Frankreichs vor der Türkei. Eine neue Version des Genozid-Gesetzes könnte frühestens im Juni kommen.

In Frankreich wird es vorerst keinen neuen Anlauf für ein Gesetz geben, um die Leugnung des "Völkermords" an den Armeniern unter Strafe zu stellen. Vor den Präsidentschaftswahlen im Mai und den Parlamentswahlen im Juni werde es kein neues Gesetz geben, sagte der Chef der konservativen Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, am Mittwoch. Der Verfassungsrat hatte das vorherige Gesetz am Dienstag gekippt. Das Gesetz verstoße gegen die Meinungsfreiheit, urteilte das Gremium.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte als Reaktion auf die Entscheidung des Verfassungsrates seine Regierung beauftragt, einen neuen Gesetzestext auszuarbeiten. "Leider" sei die Arbeit des Parlaments für diese Legislaturperiode praktisch schon beendet, sagte Copé dazu. Die Sitzungszeit endet wegen der bevorstehenden Wahlen voraussichtlich am 6. oder 7. März.

Die Türkei hatte Sarkozy vorgeworfen, das Gesetz aus wahltaktischen Gründen voranzutreiben. Nach Ansicht der Türkei will sich Sarkozy die Stimmen der mehr als 400.000 armenischstämmigen Wähler bei der Präsidentschaftswahl sichern. Außenminister Ahmet Davutoglu warnte Sarkozy am Mittwoch vor einem neuen Anlauf für ein Gesetz. Dies wäre sonst eine "Kriegserklärung" an das französische Recht und den französischen Rechtsstaat, sagte er dem Sender TRT.

"Kapitulation vor der Türkei"

Die armenische Gemeinschaft in Frankreich hielt dem Verfassungsrat vor, "vor der Einflussnahme der Türkei kapituliert" zu haben. Die Entscheidung sei "ungerecht und rein politisch", erklärte die Armenier-Vereinigung CCAF, welche die Unparteilichkeit mancher Mitglieder des Verfassungsrates anzweifelte. Die Türkei hatte mit verschärften Sanktionen gegen Frankreich gedroht, sollte das Gesetz in Kraft treten.

Nationalversammlung und Senat hatten das Gesetz verabschiedet, das die Leugnung eines in Frankreich anerkannten Völkermordes unter Strafe stellt. Dazu zählt neben dem Holocaust das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917, bei dem nach armenischen Angaben 1,5 Millionen Menschen starben. Die Türkei weist den Vorwurf des Völkermords zurück und geht von einer Opferzahl von bis zu 500.000 Menschen aus.

(Ag./Red.)

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