Umwelt: 40 Jahre „Grenzen des Wachstums“

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Anfang März 1972 hat der „Club of Rome“ sein warnendes Buch veröffentlicht: Es hat die Welt verändert – aber zu keinem Umschwung geführt. Heute findet der Autor sein Modell selbst zu simpel.

Es war ein durchaus historischer Moment, dessen heute in Washington mit einem Symposium gedacht wird: Vor genau 40Jahren veröffentlichte eine Forschergruppe um Dennis Meadows das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ – ein Bericht an den vier Jahre zuvor gegründeten „Club of Rome“. Das Buch wurde weltweit zu einem Megathema, es wurde in 37 Sprachen übersetzt, inklusive zweier Updates (1992 und 2004) wurden an die 30 Millionen Exemplare verkauft. Unzählige Menschen wurden von dem Gedanken beeinflusst, dass exponentielles Wachstum in einer begrenzten Welt unweigerlich zu einem Kollaps führen müsse. Gleichzeitig wurde diese Idee von nicht weniger Menschen kritisiert.

Und das Resultat? Faktisch wurde überhaupt nichts bewegt. Was auch die Autoren von damals feststellen. In einem „Presse“-Interview sagte Meadows 2009, dass er keinen Wandel in der Politik und in der Gesellschaft sehe. Eine Einschätzung, die von den Daten zum weltweiten Ressourcenverbrauch bekräftigt wird. Eine im Jahr 2008 veröffentlichte Analyse kam zu dem Schluss, dass die tatsächliche Entwicklung hinsichtlich Ressourcenverbrauch oder Bevölkerungswachstum in den letzten 30 Jahren am besten vom „Businessasusual“-Szenario Meadows' beschrieben wird, in dem keine Maßnahmen zur Eindämmung des Wachstums getroffen werden. Nicht bewahrheitet haben sich freilich Aussagen, laut denen die ersten Ressourcen schon in den 1990er-Jahren zur Neige gehen würden. (Diese waren unter der Annahme getroffen worden, dass keine neuen Lagerstätten gefunden würden). Die eigentliche Kernaussage des Berichts, dass es spätestens Ende des 21. Jahrhunderts zu einem Zusammenbruch von Wirtschaft und Gesellschaft kommen werde, ist derzeit per definitionem nicht verifizierbar oder falsifizierbar.

Mythos vom allwissenden Computer

Dass die „Grenzen des Wachstums“ ausgerechnet Anfang der 1970er-Jahre erschienen, ist kein Zufall. Ein Grund dafür war der Fortschritt der Wissenschaft: Durch Systemtheorie und Computer wurde es erstmals möglich, Zusammenhänge zwischen verschiedensten Variablen dynamisch – also im zeitlichen Verlauf und mit Rückkoppelungen – zu studieren. An solchen Modellen hatte Jay Forrester an der US-Eliteuniversität MIT schon seit 15 Jahren gearbeitet.

Daneben gab es andere Zutaten: In den 1960er-Jahren entwickelte sich aus Wurzeln wie dem Buch „Der stumme Frühling“ oder der Entwicklung der Gaia-Hypothese (die Erde als lebender Organismus) die Umweltbewegung, die 1968er-Jugendrevolte hinterfragte alles herkömmliche Wissen.

Darauf reagierte der „Club of Rome“: In seinem ersten Projekt wollte er das „Dilemma der Menschheit“ thematisieren und stieß über Vermittlung des österreichischen Astrophysikers Erich Jantsch auf Forrester. Dieser übertrug die Projektleitung an den damals erst 28-jährigen Jungforscher Meadows. In eineinhalbjähriger Arbeit entwickelte sein 16-köpfiges Team das Weltmodell „World3“ – 90 Variablen in 200 Gleichungen – und berechnete zwölf Szenarien für die mögliche Entwicklung von Ressourcen, Industrieproduktion, Bevölkerung, Nahrungsmittel und Umweltverschmutzung zwischen den Jahren 1900 und 2100.

Gleichzeitig mit der Umweltbewegung entstand eine mächtige Gegenströmung: In Chicago wurde die Basis eines Wirtschaftsmodells erdacht, das von seinen Kritikern „neoliberal“ genannt wird. Diesem ist der Gedanke, dass es irgendwelche Grenzen des Wachstums geben könnte, fremd. Im Gegenteil: Wachstum wird als Voraussetzung für die Lösung von Problemen angesehen.

Die damals aufflammende Debatte zwischen „Neoliberalen“ und Nachhaltigkeitsaposteln hält bis heute an: ob man Wachstum begrenzen solle – und inwieweit man zwischen quantitativem und qualitativem Wachstum unterscheiden müsse. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob es fixe Grenzen gibt, die das Wachstum beschränken. Oder ob nicht vielmehr technologische und soziale Innovationen die Grenzen immer weiter hinausschieben oder sogar unwirksam machen können – etwa durch den Preismechanismus, der zu mehr Effizienz führt, oder durch Recycling. Historische Beispiele dafür gibt es: Thomas Malthus irrte mit seiner Prognose, dass die exponentiell wachsende Bevölkerung verhungern müsse, weil die Nahrungsproduktion nur linear steige. Und London ist Ende des 19.Jahrhunderts trotz des zunehmenden Verkehrs nicht in Pferdemist versunken.

Kein „Update“ zum Jubiläum

In den „Grenzen des Wachstums“ wird dem technologischen Wandel und der Anpassungsfähigkeit der Menschheit in der Tat keine große Bedeutung zugemessen: Den im Modell simulierten Größen wurde ein exponentielles Wachstum zugestanden. Technologie wurde hingegen als exogener Faktor angenommen, der sich nicht dynamisch entwickeln kann. Das blieb auch bei den Updates, die nach 20 und 30 Jahren mit jeweils neuem Datenmaterial gerechnet wurden, unverändert. Das Argument der Autoren: Auch mit besten Technologien werde man an Grenzen stoßen.

In letzter Zeit distanziert sich Meadows von seinem Weltmodell, weil etwa keine sozialen Entwicklungen modelliert werden könnten. Deshalb hat er auch – anders als noch vor einem Jahrzehnt angekündigt – kein neuerliches „Update“ zum 40-Jahr-Jubiläum vorgelegt. An seiner Grundaussage – die heute von vielen Experten geteilt wird – ändert das nichts: Die Menschheit müsse, so Meadows, auf ein niedrigeres Niveau des Energie- und Rohstoffverbrauchs kommen.

Sein Ton aber wird immer pessimistischer: Da die Tragfähigkeit der Erde bereits überschritten sei, sei ein Umschwenken auf eine nachhaltige Entwicklung nicht mehr möglich. Er fordert daher nun eine Fokussierung auf die „Resilienz“ – die Widerstandsfähigkeit gegen katastrophale Entwicklungen.

Auftraggeber der „Grenzen des Wachstums“: Der Club of Rome

1968 in Rom wurde der Club of Rome von sechs Persönlichkeiten unter der Führung von Olivetti-Chef Aurelio Peccei gegründet. Ihm gehörten 100 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Wirtschaft an. Als Ziel wurde die „gemeinsame Sorge und Verantwortung um bzw. für die Zukunft der Menschheit“ definiert. Bis heute hat der Club mehr als 30 Berichte veröffentlicht, durchschlagende Wirkung erzielte er aber bisher nur mit seinem ersten Bericht, „Grenzen des Wachstums“ (1972).

Die Experten wollen nicht nur globale Zusammenhänge – etwa in Umwelt- oder Entwicklungsfragen – erforschen, sondern die Ergebnisse auch durch intensive Kontakte mit Politik und Wirtschaft in die Praxis umsetzen.

Österreichs Ex-Bundeskanzler Bruno Kreisky spielte bei den „Grenzen des Wachstums“ eine große Rolle: Er lud im Jahr 1974 sieben Staatschefs aus der ganzen Welt zu einem informellen Treffen nach Salzburg ein, wo er die Ergebnisse breit diskutierte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2012)

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