Eichengreen: "Der Dollar ist der einzige sichere Hafen"

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US-Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen erklärt im DiePresse.com-Interview, warum die Welt auf nationale Währungen angewiesen ist.

Sind die Tage der Dollar-Dominanz vorbei? Und welche Währung kann den Dollar ersetzen: Der Euro oder der chinesische Renminbi? Wie sieht es mit den IWF-"Sonderziehungsrechten" aus?

Nicht vorbei, aber sie werden in nicht allzu ferner Zukunft enden. Ich sehe wenig Zukunft für die Sonderziehungsrechte als eine Quelle internationaler Liquidität. Damit diese eine bedeutende Rolle spielen könnten, müsste der IWF die Macht einer globalen Zentralbank erhalten. Wenn eine Krise ausbricht, müsste der IWF die Macht haben, mehr Sonderziehungsrechte über ein Wochenende auszugeben. Die Wahrheit ist, dass wir in absehbarer Zukunft weiter in einer Welt souveräner Nationalstaaten leben werden. Und diese souveränen Staaten werden zögern, dem IWF solch weitreichende Macht zu übertragen. Wie ich in meinem Buch geschrieben habe: "Keine globale Regierung bedeutet keine globale Zentralbank, was wiederum bedeutet: Keine globale Währung. Punkt." Das bedeutet, dass die Welt in absehbarer Zukunft weiter auf nationale Währungen für internationale Liquidität angewiesen sein wird. Die Eurozone und China sind die einzigen Ökonomien mit der finanziellen Kapazität, diese Rolle mit den Vereinigten Staaten zu teilen.

Was denken Sie über die US-Staatsanleihen, die China hält: Wer ist mehr abhängig - die Vereinigten Staaten oder China?

Sie sind beide abhängig. Larry Summers, der ehemalige US-Finanzminister, hat das einmal als das "Gleichgewicht des finanziellen Schreckens" bezeichnet.

Wäre die Rückkehr des Goldstandards eine Option?

Das wird nicht passieren, ungeachtet der Wahlkampfreden von Ron Paul und Newt Gingrich. Es gibt keinen Grund, warum ein gelbes Metall, das vor langer Zeit eine monetäre Rolle gespielt hat, auch im 21. Jahrhundert eine spielen sollte. Sobald unsere politischen Führer einen genaueren Blick darauf werfen, was ein Goldstandard nach sich ziehen würde, würden sie mit Entsetzen zurückweichen.

Was denken Sie über die Rolle der US-Notenbank Fed? Wie hat sich die Fed in der aktuellen Krise geschlagen?

Ich würde der Fed die Note "gut", aber nicht "exzellent" geben. Sie hat rasch auf die Krise reagiert. Sie hat sich als kreativ erwiesen, als sie sich "Quantitative Easing" ("Monetäre Lockerung"; Geldpolitik der Zentralbank, die zum Einsatz kommt, wenn der Zinssatz bereits auf null gesetzt wurde - auch bekannt als expansive Geldpolitik) und "Open Mouth Operations" ("Politik des offenen Mundes"; d.h. die Zentralbank kündigt der Öffentlichkeit im voraus ihre Maßnahmen an) zuwendete, als die Zinssätze auf Null fielen. Sie hat aber vor der Entscheidung, Lehman Brothers pleite gehen zu lassen, nicht die Alarmglocken läuten lassen. Und ich denke, sie hätte beim Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Instrumente aggressiver sein müssen, und könnte auch jetzt aggressiver sein, um die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung zu beschleunigen. Vor allem angesichts der Tatsache, dass am Horizont weit und breit kein Zeichen einer Inflation zu erkennen ist.

Was kann passieren, wenn es den USA nicht gelingt, ihre Schuldenkrise unter Kontrolle zu bringen?

Letzten Endes könnte es eine Flucht aus dem Dollar durch öffentliche und private Investoren geben. Und wenn es eine Verknappung anderer sicherer Anlageformen gibt, in die man flüchten kann, wäre das Ergebnis eine globale Liquiditätskrise. Diese würde eine große Menge internationaler Handels- und Finanztransaktionen, an die wir uns gewöhnt haben, ernsthaft aufs Spiel setzen.

"Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem", sagte der damalige US-Finanzminister John Connolly im Jahr 1971. Stimmt das immer noch?

In gewisser Hinsicht ist der Dollar kein Problem, weil die Welt sichere Häfen in turbulenten finanziellen Zeiten braucht. Und der Dollar ist der einzige verfügbare sichere Hafen. Aber: Der Status des Dollar als internationale Währung wird zunehmend zu einem Problem für jedermann - die USA eingeschlossen. Die USA haben ein großes Zahlungsbilanz-Defizit und nicht die Möglichkeit, den Dollar - als einen Weg, um die Exporte zu steigern - abzuwerten. Und das teilweise deshalb, weil andere Länder - vor allem China - sich an den Greenback binden. Das internationale System hat auch das Problem, dass die Weltwirtschaft schneller wächst als die USA. Das Wachstum des internationalen Handels und der Finanztransaktionen bedeutet, dass der Bedarf an sicheren und liquiden Vermögenswerten schlussendlich die Kapazität der Vereinigten Staaten, diese anzubieten, übersteigen könnte. Um die Globalisierung des 21. Jahrhunderts zu überleben, werden sich alternative Quellen bei sicheren und liquiden Anlageformen weiterentwickeln müssen.

Der Nachfrage am Markt nach US-Staatsanleihen ist groß. Der Dollar bleibt weltweit die Reservewährung Nummer eins. Ist ein Niedergang des Dollars nicht mehr als europäisches Wunschdenken?

Die US-Probleme sind weniger dringend, aber sie sind real. In meinem Buch sage ich voraus, dass die Vereinigten Staaten vielleicht fünf Jahre Zeit haben, ihren fiskalen und finanziellen Haushalt in Ordnung zu bringen. Mit anderen Worten: Die USA sind nicht Griechenland. Die USA haben immer noch ein Zeitfenster, um ihre Finanzen unter Kontrolle zu bringen. Das Problem ist, dass unser dysfunktionales System keine Bereitschaft zeigt, sich ernsthaft mit den Dingen auseinanderzusetzen. Das niedrige Niveau auf dem der wirtschaftliche Diskurs in der aktuellen Vorwahl-Saison stattfindet, ist wenig ermutigend.

Barry Eichengreens aktuelles Buch "Das Ende des Dollar-Privilegs. Aufstieg und Fall des Dollars und die Zukunft der Weltwirtschaft" ist soeben auf deutsch im Börsenbuchverlag erschienen. Lesen Sie hier die Rezension "Der Dollar - 'Amerikas unverschämtes Privileg'.

Barry Eichengreen

ist Professor für Wirtschafts- und Politikwissenschaft an der University of California in Berkeley. Unter anderem hat er folgende Bücher verfasst: "The European Economy Since 1945", "Global Imbalances and the Lessons of Bretton Woods", und "Financial Crises and What to Do About Them". Er hat viel beachtete Artikel für die Financial Times, das Wall Street Journal, Foreign Affairs und andere Veröffentlichungen geschrieben.

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