Kofi Annans diplomatisches Himmelfahrtskommando

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Ehemaliger UN-Chef soll Assad umstimmen. In zahlreichen Regionen rückten Truppen des Regimes auch am Dienstag gegen die Aufständischen vor. Allein in den letzten beiden Tagen flohen über 2000 Frauen und Kinder.

Kairo/Damaskus. Kurz vor Beginn der Vermittlungsmission des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan in Syrien geht die Gewalt im Land unvermindert weiter. In zahlreichen Regionen rückten Truppen des Assad-Regimes auch am Dienstag gegen die Aufständischen vor. Allein in den letzten beiden Tagen flohen über 2000 Frauen und Kinder bei Kälte und Schnee in den benachbarten Libanon. Nach Angaben von Menschenrechtlern bombardierte die Armee inzwischen die Verbindungsbrücke über den Fluss Orontes, um Flüchtlingen den Weg abzuschneiden.

Kofi Annan trifft am heutigen Mittwoch zunächst in Kairo ein, wo er Gespräche mit der Arabischen Liga führen wird. Am Samstag will Annan dann nach Damaskus weiterreisen, wo er im gemeinsamen Auftrag der Liga und der Vereinten Nationen mit Staatschef Bashar al-Assad verhandeln soll. Annan möchte zunächst einmal einen vorübergehenden Waffenstillstand erreichen, die Evakuierung von Verletzten sowie die Versorgung der notleidenden Bevölkerung. In Kairo hat sich diese Woche auch der russische Außenminister Sergej Lawrow angesagt, China schickt einen Gesandten nach Damaskus.

Der britische TV-Sender Channel 4 zeigte derweil ein heimlich gedrehtes Video über Folter im Militärkrankenhaus von Homs. Darin sind Verwundete zu sehen, die mit Eisenketten an ihre Betten gefesselt sind und Folterspuren am Körper tragen. Auf einem leeren Bett sind eine Peitsche und ein Stromkabel abgelegt, mit dem die Verletzten geprügelt worden seien, berichtet ein Augenzeuge, dessen Gesicht im Video unkenntlich gemacht ist. Ähnliche Vorwürfe hat zuvor bereits Amnesty International erhoben.

Neuer Anlauf im Sicherheitsrat

Unterdessen wollen die USA im UN-Sicherheitsrat einen dritten Anlauf nehmen für eine Resolution gegen Syrien. Der neue Entwurf soll vor allem den Zugang für humanitäre Helfer fordern, hieß es. Moskau signalisierte am Dienstag bereits seine Ablehnung.

Indes lieferten sich Armee und Aufständische gestern heftige Kämpfe – unter anderem in Deraa im Süden, Deir Ezzor im Osten, nahe der syrisch-irakischen Grenze, Idlib im Norden sowie Rastan in Zentralsyrien, wohin sich die aus Homs abgezogenen Kämpfer der „Freien Syrischen Armee“ zurückgezogen haben. Saudiarabien sowie Katar setzen sich inzwischen dafür ein, die syrischen Aufständischen zu bewaffnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2012)

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