Lehren aus Bosnien und Ruanda: Die „Responsibility to Protect“

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Wenn ein Staat seine Bürger nicht vor schwersten Verbrechen schützen kann, darf die Staatengemeinschaft eingreifen. Eine Pflicht erwächst daraus freilich nicht.

Wien/Hd. Nie wieder. Das war die Devise nach den Völkermorden, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den 90er-Jahren: Stichwort Bosnien, aber vor allem auch Stichwort Ruanda. In dem ostafrikanischen Land haben Milizen der bevölkerungsmäßig dominierenden Hutu-Ethnie binnen weniger Tage 800.000 Tutsi sowie Hutu, die gegen die Massaker waren, ermordet. Dies geschah unter den Augen der untätigen Staatengemeinschaft. 2008 warf eine ruandische Untersuchungskommission Frankreich, das Soldaten im Land hatte, sogar vor, nicht nur weggeschaut zu haben, sondern die Hutu-Milizen sogar ausgebildet und Täter geschützt zu haben.

Dann kam die Kosovo-Krise 1999 und angesichts von schweren Verbrechen der serbischen Streitkräfte an Zivilisten und einer Massenflucht die Bewährungsprobe der Staatengemeinschaft – besonders in der europäischen Nachbarschaft. Nachdem letzte Verhandlungen gescheitert waren, begann die Nato mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Serbien. Dass im weiteren Verlauf auch zivile Ziele wie Brücken zerstört wurden, hat die Mission, die ohne UN-Mandat stattfand, teilweise diskreditiert.

Der Kosovo-Krieg zeigte: Es musste eine rechtliche Basis her. Diese wurde 2005 schließlich mit der „Responsibility to Protect“ (Schutzverantwortung, kurz R2P) geschaffen, die von allen UN-Mitgliedern beschlossen wurde. Diese besagt Folgendes: Wenn ein Staat es nicht schafft, seine Bevölkerung vor Genozid, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beschützen – in der Realität bedeutet dies meist, dass der Staat diese Verbrechen selbst begeht – dann geht die Schutzverantwortung auf die Staatengemeinschaft über. Eine Pflicht erwächst daraus freilich nicht.

UN-Resolution legitimierte Intervention

Dies ist freilich noch kein Freibrief zur militärischen Intervention. Eine solche darf erst erwogen werden, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind. Und die „R2P“ setzt keineswegs das prinzipielle Gewaltmonopol des UN-Sicherheitsrates außer Kraft. Im Falle Libyens war diese Voraussetzung gegeben: Das höchste UN-Gremium stimmte einer Resolution zu, die alle Maßnahmen autorisierte, die zum Schutz der Zivilbevölkerung nötig seien. Dieses Mandat konnte sehr breit ausgelegt werden. Und wurde es auch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2012)

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