Asyl für Assad bleibt der einzige friedliche Ausweg

Syriens Präsident hat die Lage nicht mehr unter Kontrolle. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt den Druck erhöhen, auch mit militärischen Drohungen.

Es gibt viele Gründe, weshalb die internationale Gemeinschaft bisher nicht eingegriffen hat, um das Blutbad in Syrien zu stoppen. Erstens halten Russland und China im UN-Sicherheitsrat ihre schützende Hand über den Diktator in Damaskus. Bei den Russen spielen dabei strategische und geschäftliche Erwägungen eine Rolle. Ihr einziger Marinestützpunkt am Mittelmeer befindet sich in Tartus. Zudem ist das syrische Regime ein treuer Abnehmer russischer Rüstungslieferungen.

Mit China teilt Moskau eine tiefe Abneigung gegen Eingriffe in die Souveränität anderer Staaten, zumindest solange diese nicht zum eigenen Einflussbereich zählen. Humanitäre Interventionen lehnen die beiden Autokratien ab. Ihre Zustimmung zur Flugverbotszone über Libyen bedauern sie nachträglich zutiefst. Noch heute fühlen sich Russen und Chinesen betrogen und beklagen, dass der Westen das UN-Mandat zu extensiv für Angriffe auf Stellungen von Libyens Ex-Diktator Gaddafi ausgelegt habe.

Doch auch der Westen schreckt trotz aller schärfer werdenden Rhetorik bis heute vor einem militärischen Eingreifen zurück. Zu groß ist die Angst, im syrischen Chaos zu versinken und in Folge die Region zu destabilisieren, bis in den Libanon, den Irak und auch Israel.

Doch das Standardargument, dass nach einem Sturz Assads der Bürgerkrieg ausbreche, zieht nicht mehr ganz so wie vor einem Jahr. Denn der Bürgerkrieg ist längst im Gang. Syrien ist zum Aufmarschgebiet für radikale Islamisten geworden. Sie haben nicht erst auf das Ende Assads gewartet. Sie kamen aus Libyen, dem Irak und anderswo, weil er noch immer im Amt ist und Krieg gegen sein eigenes Volk führt.

Tausende Zivilisten hat das syrische Regime inzwischen getötet. Es hat wahllos mit Raketen auf Wohnviertel schießen lassen. Moralisch scheint die Sache klar. Es ist kaum auszuhalten, dem Morden in Syrien weiter zuzuschauen. Doch Empörung ist kein guter Ratgeber. Wäre es auch klug, militärisch zu intervenieren? Wird die Lage dadurch besser oder nur noch schlimmer? Und gibt es eine Strategie für den Tag nach einem Sturz Assads?

Die Angst vor einem zweiten Irak-Szenario wird inzwischen in Staatskanzleien zwischen Riad, Washington und Jerusalem gegen die Aussicht aufgerechnet, Syriens iranische Schutzherren in der Region entscheidend zu schwächen.

Doch auch ohne solche Überlegungen liegt auf der Hand: Mit Assad hat Syrien keine friedliche Zukunft. Woche für Woche desertieren mehr Soldaten. Schlägt das Regime Aufstände in der einen Stadt nieder, brechen sie in einer anderen los. Auch äußerste Brutalität hat die Opposition nicht eingeschüchtert. Für sie ist die rote Linie überschritten.

Assad hat die Lage nicht mehr unter Kontrolle, sein Regime zeigt erste Risse und kann auch ökonomisch nicht mehr lange überleben. Syriens Wirtschaft, hochgradig vom Handel abhängig, steht still. Dem Regime geht das Geld aus. Isoliert kann es auf Dauer nicht existieren. Gebot der Stunde ist es deshalb, den Druck auf Assad zu erhöhen. Und dazu gehört, die militärische Option zumindest anzudeuten, wie das die Amerikaner nun erstmals zaghaft tun. An die Entsendung von Bodentruppen denkt ohnehin niemand ernsthaft. Erwogen wird jedoch offenbar die Einrichtung von Schutzzonen, die dann ihrerseits aus der Luft überwacht werden müssten. Realistisch? Im Moment nicht. Denn auch dafür wäre die Zustimmung Chinas und Russlands in der UNO nötig.

Doch eine militärische Drohkulisse könnte hilfreich sein, die beiden Vetomächte zu einer Verschärfung der Sanktionen gegen Assad zu bewegen. Strategisches Ziel muss der Rücktritt des syrischen Präsidenten sein – gemäß dem gescheiten Plan der Arabischen Liga, der Verhandlungen zwischen Syriens Vizepräsident und der Opposition vorsieht. Nur mit einem solchen Modus kann ein relativ unblutiger Übergang zu einer Post-Assad-Ära geschafft werden.

Um Assad die Entscheidung zu erleichtern, sollte ihm deutlicher als bisher eine Flucht ins Asyl nahegelegt werden. Falls er darauf nicht einsteigen sollte, müsste ihm angesichts der mahnenden Beispiele in seiner Nachbarschaft mittlerweile bewusst sein, dass er ziemlich bald vor dem Internationalen Strafgerichtshof oder noch schlimmer enden könnte.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2012)

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