ÖVP-Frauenchefin: Mehr Pflegefreistellung für Eltern ist sinnvoller als der Papamonat

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ÖVP-Frauensprecherin Schittenhelm fordert eine ernsthafte Debatte über Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Beim Reißverschlusssystem auf ÖVP-Listen zur Wahl 2013 lässt sie nicht mehr locker.

Wien. Beim Schlagabtausch um einen oder mehrere Papamonate für Väter nach der Geburt eines Kindes stand zuletzt die Frage im Mittelpunkt, ob dies verpflichtend sein soll, wie dies SPÖ und Grüne wollen, oder wahlweise. Für ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm geht das allerdings ohnehin am Kern vorbei. Nach ihren Plänen sollte lieber die jetzt einwöchige Pflegefreistellung der Eltern bei Erkrankung eines Kindes auf zumindest zwei Wochen ausgeweitet werden. „Ich erachte das für sinnvoller“, betont die ÖVP-Nationalratsabgeordnete und ÖVP-Frauensprecherin im Parlament, im Gespräch mit der „Presse“. Sie halte eine längere Pflegefreistellung jedenfalls „für notwendiger und dringender als einen zweiten oder dritten Papamonat“.

Nach Schittenhelms Ansicht wäre damit nämlich den Anliegen von Müttern und Vätern besser gedient als mit Papamonaten. („Da wird ja hochlizitiert.“) Schließlich sei daran gedacht, dass der Papamonat ohnehin auf Kosten der Kinderbetreuungszeit des Vaters gehe, wenn sich die Eltern die Karenzzeit teilen. Ihre Lieblingsvariante wären bis zu zwei Wochen Pflegefreistellung („das sind zehn Arbeitstage“) für jedes Kind. Wenn Kinder größer werden, bräuchten sie mehr Unterstützung.

Sie räumt ein, dass dies auf Kosten der Wirtschaft gehe, weshalb es Verhandlungen geben müsse. Vorrangig ist für Schittenhelm rasch eine ernsthafte Debatte über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu führen. ÖVP-intern werde es dazu schon nächste Woche nach einer Sitzung des Familienausschusses kommen.

„Sonst warten wir ewig“

Mit ihrer Forderung stellt sich die ÖVP-Frauenchefin nicht nur gegen Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Die SPÖ-Politikerin hat erst am Donnerstagabend beim Frauentag sowohl zum Papamonat wie zur Frauenquote bekräftigt: „Es braucht eine Verpflichtung, sonst warten wir ewig.“ Zuletzt hat allerdings auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in ihrer Funktion als Obfrau des ÖVP-Arbeitnehmerbundes (ÖAAB) die Diskussion um den Papamonat erneut angeheizt: Sie hat sich dafür ausgesprochen, dass Väter wählen können, ob sie freiwillig sogar drei Papamonate in Anspruch nehmen wollen.

Schittenhelm sieht sich trotz ihres Eintretens für eine Pflegefreistellung nicht im Widerspruch zu ihrer ÖVP-Parteikollegin aus Niederösterreich: „Ich sage nicht, dass ich kontra bin zu Hanni Mikl-Leitner.“ Im Zuge einer umfassenden Debatte könne man auch darüber diskutieren. Die ÖVP-Frauenchefin macht aber geltend, auch der ÖAAB habe im Leitantrag beim Bundestag im vergangenen November eine Ausweitung der Pflegefreistellung gefordert.

„Schockiert“ über ÖVP-Männer

Viel ungehaltener ist Schittenhelm darüber, dass männliche Kollegen im ÖVP-Klub nichts vom sogenannten Reißverschlusssystem (abwechselnd kommen dabei auf den Listenplätzen Frauen und Männer zum Zug) bei der Erstellung künftiger ÖVP-Kandidatenlisten wissen wollen. „Ich war ein bisschen schockiert über die Reaktionen“, sagt die ÖVP-Frauenchefin im Gespräch mit der „Presse“. Dennoch will sie im Hinblick auf die Kandidatenlisten für die Nationalratswahl 2013 bei dem Modell nicht mehr locker lassen: „Wir werden das einfordern.“

Darauf haben sich die ÖVP-Politikerinnen bei der Kür Schittenhelms im Rahmen der Frauenkonferenz im November 2010 festgelegt. Damals hatte sie die Unterstützung von Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll. Der sagte seinen „Freundinnen“ bei seinem Auftritt zu, er werde bei den Listen für die Nationalratswahl 2013 auf eine gerechte Aufteilung von Männern und Frauen achten. Schittenhelm und ihre Vorgängerin Maria Rauch-Kallat hatten davor ein Reißverschlusssmodell gefordert.

„Es ist überhaupt nichts Neues“, beteuert Schittenhelm daher. Und: „Ich bin nicht jemand, der auf Männer losgeht.“ Es gebe „große Aufregung, als wollten wir jemanden verbannen.“ Dabei habe auch der amtierende Vizekanzler ÖVP-Obmann Michael Spindelegger das Reißverschlusssystem im ÖVP-Regierungsteam umgesetzt.

Auf einen Blick

Dorothea Schittenhelm (57) ist seit 20. November 2010 als Wunschkandidatin von Maria Rauch-Kallat Chefin der ÖVP-Frauen, einem der sechs Bünde der Volkspartei. Die geborene Burgenländerin ist seit 2007 Nationalratsabgeordnete und Frauensprecherin ihrer Partei. Seit 2000 ist sie Bürgermeisterin von Bisamberg im Norden Wiens. Die verheiratete Mutter zweier Kinder hört gern Austropop und Barockmusik, liebt Rad fahren und walken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2012)

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