Schweigerecht: Mikl-Leitner auf Distanz zu Karl

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Schweigerecht MiklLeitner Distanz Karl(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Bei der Strafprozessreform will Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die Betroffenen einbinden - und erhöht damit den Druck auf Parteifreundin Beatrix Karl. Im Fall Kampusch könnte das FBI zum Einsatz kommen.

Wien/Red. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ging am Sonntag auf Distanz zu Justizministerin Beatrix Karl, ihrer Parteifreundin. Der Anlass: die Reform der Strafprozessordnung. Es sei verständlich, wenn Karl die Richter entlasten wolle. Da es sich aber um sensible Materien wie das Redaktionsgeheimnis und die Schweigepflicht von Ärzten und Anwälten handle, sei es wichtig, die Betroffenen einzubinden, sagte Mikl-Leitner in der ORF-„Pressestunde“.

Vor allem Strafrechtsprofessoren und Anwälte haben in der Vorwoche scharfe Kritik am Entwurf der Justizministerin geübt. Der Grund: Wenn bei einer Hausdurchsuchung Unterlagen beschlagnahmt werden und der Betroffene Widerspruch einlegt, entscheidet derzeit das Gericht, ob die Unterlagen durch das Berufsgeheimnis geschützt sind – und deshalb nicht in die Ermittlungen einfließen dürfen.

Künftig soll dieser Widerspruch nicht mehr möglich sein, wenn der Betroffene als Beschuldigter geführt wird. Nichtbeschuldigte sollen zwar weiter Einspruch erheben dürfen, bei der Ersteinsicht würden aber die Ermittler – Staatsanwalt und Exekutive – gemeinsam mit dem Betroffenen prüfen, welches Material verwertet werden darf. Nachdem auch die SPÖ erhebliche Bedenken geäußert hat, hat Karl am Freitag Änderungen in Aussicht gestellt. Diese Woche will sie mit den Parlamentsklubs verhandeln.

Die Frage, wie sie Karls Vorgangsweise bewerten würde, beantwortete Mikl-Leitner diplomatisch: Sie sei glücklich, dass die Justizministerin mit Experten diskutieren wolle. Karl habe erkannt, dass man sich hier Zeit nehmen müsse.

Griechenland-Hilfe „alternativlos“

Für Griechenland gilt das nach Ansicht der Innenministerin nicht: Die Staatshilfe für die KA Finanz (Bad Bank der Kommunalkredit) im Ausmaß von mindestens 400 Millionen Euro sei „alternativlos“. Damit „schützen wir uns vor Ansteckung“ – das sei wie in einer Familie, der Kranke werde therapiert.

Kritik an Griechenland übte die Innenministerin auch in anderer Sache: Die Grenze zur Türkei sei „offen wie ein Scheunentor“. Das sei die Wurzel der illegalen Einwanderung in die EU. Wenn Athen nicht in der Lage sei, den Migrantenströmen Einhalt zu gebieten, sollten befristet wieder Kontrollen an den Grenzen Griechenlands eingeführt werden, erklärte Mikl-Leitner.

Von Ernst Strasser „enttäuscht“

„Alle Fakten auf den Tisch“, forderte die Ministerin im Zusammenhang mit den Korruptionsaffären, die derzeit von einem Untersuchungsausschuss geprüft werden. Ihren Kabinettschef Michael Kloibmüller, dem unter anderem vorgeworfen wird, den Telekom-Managern in der Blaulichtfunk-Affäre mit Unannehmlichkeiten gedroht zu haben, hält sie für unschuldig: „Ich habe vollstes Vertrauen zu ihm.“

Enttäuscht zeigte sich Mikl-Leitner von ihrem früheren Weggefährten in der ÖVP Niederösterreich, Ernst Strasser. Der Ex-Innenminister steht im Verdacht, in seiner Zeit als EU-Abgeordneter (2009– 2011) Gesetzesvorhaben gegen Bezahlung beeinflusst zu haben. Außerdem soll er Beraterhonorare im Ausmaß von 560.000 Euro nicht ordnungsgemäß versteuert haben.

Kontakt mit FBI aufgenommen

Im Entführungsfall Natascha Kampusch räumte die Innenministerin ein, dass das FBI zu Rate gezogen werden könnte. Man habe bereits Kontakt aufgenommen – die US-amerikanischen Kollegen wären auch bereit, sich einzubringen, sagte Mikl-Leitner. Ob die Einzeltätertheorie haltbar sei oder nicht, wollte sie nicht beurteilen: Diesen Fragen widme sich gerade ein Unterausschuss im Parlament. Nach dem Abschlussbericht hätte die Staatsanwaltschaft dann zu entscheiden, wie es weitergehen solle.

Der Vorsitzende des Unterausschusses, Werner Amon (ÖVP), zweifelt an der Einzeltätertheorie. Bis Monatsende wollen die Mandatare entscheiden, ob sie Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstatten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2012)

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