"Tobin Tax" für Europa. Der warnende Appell des deutschen Finanzministers verhallt wirkungslos. Immer mehr Länder bremsen bei der Einführung.
Brüssel. Nach einer knappen Stunde war alles gesagt: Die Finanzminister Europas einigten sich am Dienstag in Brüssel darauf, dass sie sich nicht auf die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen einigen können.
„Wir werden jetzt zwei Spuren folgen: Gibt es Raum für Kompromiss? Und kann es Alternativen geben?“, fasste die dänische Ministerin Margrethe Vestager, die die Sitzung geleitet hatte, die Beschlusslage zusammen. Schon Ende des Monats treffen sich die Minister in Kopenhagen wieder. Doch ob sie dort bei ihrem informellen Ratstreffen mit der „Tobin Tax für Europa“ weiterkommen, ist mehr als fraglich.
Politik versus Finanzwelt
Denn die öffentliche Debatte vom Dienstag zeigte klar, wo die Frontlinien zwischen Befürwortern und Gegnern dieser Steuer verlaufen. Und auch die Art ihrer Argumente scheidet diese von jenen. Während die Befürworter der Steuer in erster Linie politisch argumentieren und die Erwartungen ihrer Bürger zitieren, berufen sich die Gegner auf mögliche nachteilige Folgen und zusätzliche Kosten für die Finanzwirtschaft. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble etwa warnte davor, dass Europa an der Frage der Transaktionssteuer seine politische Handlungsfähigkeit beweisen müsse. „Wenn wir jahrelang diskutieren und diskutieren, riskieren wir auch die Legitimität unseres europäischen Modells der Demokratie“, sagte Schäuble. „Das Prinzip, dass wir nur dann eine Entscheidung treffen können, wenn alle auf der Welt dem zustimmen, macht uns hoffnungslos.“
In eine ähnliche Kerbe schlug Österreichs Finanzministerin Maria Fekter: „Wir brauchen eine Antwort an unsere Bevölkerung, die sagt, dass wir nichts tun. Es ist nämlich in der Bevölkerung die Meinung weit verbreitet, dass die Märkte uns regieren, statt wir die Märkte.“
Von den zwölf Ministern, die sich am Dienstag zu diesem Thema zu Wort meldeten, waren außer den Vertretern von Deutschland und Österreich nur jene Frankreichs und Finnlands vorbehaltlos für die Steuer. Mario Monti stimmte ihr namens Italiens zwar zu, verwies aber auf die Notwendigkeit, zusätzliche Informationen über mögliche negative Folgen der Steuer auf die Versorgung von Haushalten und Unternehmen mit Kredit sowie auf die Kapitalbildung in den Banken einzuholen. Das Argument, Europa dürfe erst handeln, wenn auch der Rest der Welt Transaktionssteuern einführt, wischt er mit einem Verweis auf die Einführung der EU-Richtlinie zur Zinsbesteuerung Mitte der 1990er-Jahre beiseite: „Damals gab es auch eine Reihe von Mitgliedstaaten, die sagten: Nein, nein, nein, das ist für uns eine rote Linie.“ Die Europäische Kommission beziffert die möglichen Kosten der Steuer – gemessen in vermindertem Bruttosozialprodukt – mit 0,53 Prozent. Aber, führte ein Kommissionsexperte am Montag aus, das sei ein kumulativer Effekt, „der sich nach mehreren Jahrzehnten einstellt. Der Einfluss auf das jährliche Wachstum wäre mit 0,001 Prozent sehr gering.“
„Banken sind unterbesteuert“
Skeptisch war auch der Niederländer Jan Kees de Jager. Klar gegen die Transaktionssteuer sprachen sich am Dienstag die Minister Luxemburgs, Tschechiens, Polens, Maltas und Großbritanniens aus. „Die Banken sind unterbesteuert. Aber diese Steuer wäre für Schweden sehr schwer zu akzeptieren. Wir sollten über Alternativen nachdenken“, sagte der Schwede Anders Borg.
Das Schlusswort hatte der Vertreter Großbritanniens – aber nicht Finanzminister George Osborne. Er hatte nur seinen Staatssekretär Marc Hoban nach Brüssel geschickt. „Unsere Position ist unverändert“, sagte dieser. „Keine Überraschungen hier“, schloss Sitzungsleiterin Vestager die Debatte.
Auf einen Blick
Eine Transaktionssteuer auf den Handel mit Wertpapieren kann man in der gesamten EU nur mit Zustimmung aller 27 Staaten einführen. Am britischen Veto scheitert diese Variante.
Alternative. Nun erwägen die EU-Finanzminister, ob eine weniger weitreichende Steuer die Zustimmung der Briten bekäme. Sie wäre aber weniger wirksam.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2012)