"Weisungen der Hofburg" und "wilde Interventionen"

Im "Presse"-Gespräch übt der Karrierediplomat und Botschafter in Ruhe Alexander Christiani Kritik an dem undifferenzierten Gesetzesentwurf und spricht offen über seinen Ärger - und über Weisungen höchster Stellen.

„Die Presse“: Herr Botschafter, Sie sind „Sprecher“ von rund 150 pensionierten Botschaftern, die mit der geplanten Novelle zum Passgesetz nicht einverstanden sind. Wie ist die Stimmung im diplomatischen Corps nach Aufkommen der Affäre?

Alexander Christiani: Wir sind über die Angelegenheit sehr verärgert. Es steht außer Frage, dass die Praxis der Diplomatenpassvergabe aus dem Ruder gelaufen ist. Wir halten es aber für ein Gebot der Fairness, nicht uns als ehemalige Diplomaten für diesen Missbrauch zu sanktionieren, wie das in der geplanten Novelle vorgesehen ist.

Was kritisieren Sie konkret?

Unsere Hauptkritik ist, dass kein differenzierter Zugang bei der Ausarbeitung der Novelle gefunden wurde. So wird nicht zwischen Diplomaten und Nichtdiplomaten unterschieden. Hier werden Fälle, in denen der Besitz eines Diplomatenpasses unberechtigt war, zum Anlass genommen, um auch pensionierten Diplomaten die Diplomatenpässe zu entziehen. Das war ein Schnellschuss.

Warum sollten Diplomaten, wie etwa Botschafter, nach ihrer Pensionierung weiterhin Diplomatenpässe besitzen?

Uns geht es nicht um Privilegien, sondern um einen Ausdruck der Zugehörigkeit zu unserem Haus, dem Außenministerium. Der Diplomatenpass ist Teil unserer Berufsidentität. Wir haben der Republik jahrzehntelang loyal gedient, häufig unter schwierigsten Bedingungen und zum Teil unter Gefährdung der eigenen Sicherheit oder jener unserer Familien. Es ist ein Zeichen der Anerkennung unserer Dienste.

Wusste man im Ministerium, dass die Vergabepraxis nicht in Ordnung war, bevor die Causa öffentlich wurde?

Ja, es gab immer wieder Diskussionen. Die Entscheidung, Diplomatenpässe in Fällen, die nicht eindeutig waren, auszustellen, lief über die Kabinette der jeweiligen Bundesminister. Es gab Beamte, die Diplomatenpässe nicht ausstellen wollten, dies aber per Weisung tun mussten. Über Beamte, die Kritik übten, wurde drübergefahren. Es wurde gewarnt, dass die Praxis ausufert und in Einzelfällen nicht den internationalen Gepflogenheiten entspricht. Dann kamen Weisungen von der Hofburg oder wilde Interventionen anderer Stellen. Die setzten sich für Personen ein, die den roten Pass als Prestigeobjekt haben wollten. Auch ich habe als Personalvertreter darauf hingewiesen.

Wie lange gab es diese Praxis ?

Ich bin im Jahr 1966 in den Dienst im Außenamt getreten und habe das bei jedem Ressortchef erlebt. Insofern kann ich dem Herrn Vizekanzler meine Hochachtung aussprechen, die Praxis abzustellen.

Wie beurteilen Sie das Vorgehen des Vizekanzlers in der Causa?

Wir haben an den Herrn Vizekanzler im Jänner einen Brief geschrieben. Unser Ersuchen war, dass er in der Öffentlichkeit darlegt, wie wir zu der Angelegenheit stehen. Wir haben und möchten mit Personen, die der Grund für die Affäre sind, nichts zu tun haben. Aus Gründen des Berufsethos und der Loyalität zum amtierenden Minister sind wir bisher nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Leider hat der Vizekanzler unser Ersuchen nicht berücksichtigt.

Was wollen Sie erreichen?

Die Novelle nimmt pensionierte Berufsdiplomaten künftig davon aus, einen Diplomatenpass zu bekommen. Das wollen wir ändern. Sogar ehemalige Bundespräsidenten sollen keinen Diplomatenpass mehr bekommen. Auch das ist international nicht üblich.

Zur Person

Alexander Christiani (71) trat 1966 ins Außenamt ein. Der Diplomat im Ruhestand war Mitglied der österreichischen Delegation zur UNO-Generalversammlung. Zuletzt war er bis 2005 Botschafter in London. [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2012)

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