Folter: Realität in 90 Prozent aller Staaten

Archivbild: Manfred Nowak
Archivbild: Manfred NowakEPA (Salvatore Di Nolfi)
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Manfred Nowak berichtet in seinem neuen Buch über seine Erfahrungen als UN-Sonderberichterstatter für Folter. Auch in Österreich werde gefoltert. Nur Dänemark ist frei von Vorwürfen.

Ex-UN-Sonderberichterstatter Manfred Nowak war in Folterkammern und Geheimgefängnissen auf der ganzen Welt. Nun hat er ein Buch über seine Erlebnisse als UN-Sonderberichterstatter für Folter geschrieben. Und über die Alltäglichkeit des Unfassbaren, wie es der österreichische Jurist nennt. Sein Resümee: Obwohl überall verboten - wird auch im 21. Jahrhundert noch in 90 Prozent aller Staaten gefoltert und die Methoden haben sich seit dem Mittelalter kaum geändert. Zwischen 2004 und 2010 bereiste Nowak im Auftrag der UNO zahlreiche Länder, um Spuren von Folter zu dokumentieren.

Unfassbar bleibt die Folter für jene, die sie selbst nicht erlebt haben. Bei seinem ersten Interview mit einem Folteropfer der chilenischen Militärjunta musste sich Nowak übergeben. Einer der schlimmsten Folterräume war jener der Polizeistation in Nigerias Hauptstadt Lagos: 125 Menschen - darunter Frauen und Kinder - waren hier in einem extrem heißen, feuchten, schmutzigen Raum ohne Toilette zusammengepfercht. Alle waren vor den Augen der anderen brutalst gefoltert worden, einigen faulten wegen unversorgter Schusswunden die Beine ab. 

Formen der Folter bleiben gleich

Schläge, Aufhängen, Verbrennungen, sexuelle Gewalt bis hin zu den grausamsten Formen der Zufügung körperlichen Qualen: diese Formen der physischen Folter sind in den vergangenen Jahrhunderten im Wesentlichen die gleichen geblieben. Die Formen der psychischen Folter dagegen wurden von der CIA im sogenannten "Krieg gegen den Terror" weiterentwickelt und geradezu perfektioniert, wie der Wiener Universitätsprofessor für Verfassungsrecht und Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte schreibt. Von der gezielten Desorientierung und Demütigung der Opfer durch Fesselung, Nacktheit, Schlafentzug, Lärm, Dunkelheit bis hin zur gezielten Ausnützung individueller Phobien wie Klaustrophobie und Angst vor Tieren.

Ziel der Folter ist in mehr als 90 Prozent der Fälle laut Nowak das Erzwingen eines Geständnisses. So erzielte Geständnisse - ob wahr oder nicht - ersetzen in vielen Ländern mit korrupten und nicht unabhängigen Strafjustiz die Ermittlungsarbeit. Zudem sind die Haftbedingungen in der Mehrzahl der Länder schlimmer, als es sich die meisten vorstellen können. Noch schlimmer als die tatsächliche Folter, wie viele Gefängnisinsassen gegenüber Nowak beklagen.

Belege schwer zu erbringen

Die Dokumentation der Folter ist nicht leicht. Von Behörden werden die Vorwürfe stets abgestritten und dem UN-Sonderberichterstatter wird die Arbeit oft schwer gemacht. Gefängnisse werden rasch aufgehübscht, wie in Kasachstan, wo Zellentüren frisch gestrichen wurden, als die Beobachter kamen. Immer wieder musste Nowak damit drohen, seine Mission abzubrechen, damit er versteckte Keller betreten oder allein mit den Häftlingen sprechen konnten. Trotzdem mussten die Befragten nach der Untersuchung für ihre Aussagen oft büßen. So erhielten Nowak und sein Team weniger als eine Stunde nach Verlassen einer Haftanstalt in Colombo (Sri Lanka) ein SMS mit der Nachricht, dass die interviewten Personen unmittelbar nach Abreise aus den Zellen geholt und schwer misshandelt worden seien.

Als einziges positives Beispiel sticht Dänemark hervor. Dort wurde die Folter vollständig ausgerottet.

Anders als in Österreich, dem Nowak in seinem Buch ein eigenes Kapitel zum Fall Bakary Jassay gewidmet hat. Der bekannte Fall der schweren Misshandlung und Scheinhinrichtung des Schubhäftlings aus Gambia durch WEGA-Polizisten und noch mehr der Umgang des Innenministerium und der heimischen Justiz mit den Foltervorwürfen hat Nowaks "Vertrauen in den österreichischen Rechtsstaat nachhaltig ins Wanken gebracht", wie er in seinem Buch erzählt. Da es im Strafgesetzbuch keinen Folterparagrafen gibt, werde das Quälen von Gefangenen als bloßes Vergehen geahndet.

(APA)

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