Med-Uni: Kritik an Frauenbonus

Aufnahmetest. Die Studenten kritisieren die genderspezifische Auswertung und fassen Klagen ins Auge. Die Uni spricht von einem fairen Ausgleich der Nachteile.

Wien/Red. Dass Frauen beim Aufnahmetest an der Medizin-Uni Wien heuer milder beurteilt werden sollen, sorgt für Aufregung. Die Studierenden der Med-Uni sind empört über den neuen Bewertungsschlüssel, der beim diesjährigen EMS-Test Anfang Juli angewandt werden soll. Gleiche Leistung werde dann nicht mehr gleich beurteilt, kritisiert Christian Orasche von der ÖH Medizin Wien.

Stein des Anstoßes: Wie „Die Presse“ berichtete, wird bei der Berechnung der Rangliste, anhand derer die Studienplätze vergeben werden, künftig differenziert: Aus den beim Test erzielten Punkten wird jeweils ein Mittelwert für Frauen und für Männer errechnet. Anhand dessen werden die Ergebnisse angeglichen. Vereinfacht gesagt: Jene Gruppe, die im Schnitt schlechter ist, wird besser beurteilt. De facto werden das die Frauen sein, die in den vergangenen Jahren immer signifikant schlechter abschnitten (Untersuchungen führen das unter anderem auf den Schulunterricht zurück) – und das ist auch die Idee dahinter. Ziel sei „mehr Chancengleichheit“, sagt Karin Gutierrez-Lobos, als Vizerektorin für Lehre und Gender verantwortlich für die Neuerung, zur „Presse“. So waren im Vorjahr in Wien zwar 56Prozent der Bewerber Frauen, an sie gingen aber nur 43Prozent der Plätze – ähnlich wie in Innsbruck, wo derselbe Test verwendet wird. Auf eine genderspezifische Auswertung wird dort aber verzichtet.

Diskriminierend auch für Frauen?

Dass Frauen in Wien bei gleicher Punktezahl künftig besser gereiht werden, sei nicht nur eine Diskriminierung der Männer, sondern beider Geschlechter, kritisiert indes Studentenvertreter Orasche. Denn: Medizinstudentinnen könnten künftig als „Quotenfrauen“ abgestempelt werden – auch wenn sie von der geschlechtsspezifischen Auswertung gar nicht profitiert haben. Die ÖH lässt nun prüfen, ob diese neue Form der Auswertung rechtskonform ist. Als Ultima Ratio sei sogar vorstellbar, betroffene Testteilnehmer bei Klagen zu unterstützen. Laut Bernd-Christian Funk dürften deren Chancen aber gering sein. Der renommierte Jurist hält die neue Bewertung im Gespräch mit der „Presse“ für einen rechtlich gangbaren Weg. Mehr noch: „Wenn eine undifferenzierte Gleichbehandlung aller im Ergebnis zu einer Diskriminierung führt, scheinen Strategien einer Differenzierung rechtlich nicht nur zulässig, sondern sogar geboten.“

Ähnlich argumentiert Gutierrez-Lobos: Bei der Maßnahme handle es sich nicht um eine Bevorteilung der Frauen, sondern um einen Nachteilsausgleich. Vorwürfe, die eine mangelnde Qualifikation der Frauen andeuteten, findet sie sachlich völlig ungerechtfertigt: „Wir wissen ja, dass unsere Frauen trotz eines Nachteils beim EMS bis zur ersten großen Prüfung im Studium enorm aufholen und wir 60Prozent Absolventinnen haben.“

Endgültige Wunschlösung ist die genderspezifische Auswertung aber auch für die Vizerektorin nicht. Mit den Med-Unis Graz und Innsbruck werde ohnehin an einer gemeinsamen Neugestaltung der Aufnahmeverfahren gearbeitet. Ein neues Verfahren könnte sich, so hört man, stärker an den Grazer Test anlehnen, der neben naturwissenschaftlich-medizinischem Wissen auch kommunikative und soziale Fähigkeiten abfragt – und bei dem Frauen deutlich besser abschneiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2012)

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