Ein molekularer Schalter im Gehirn sorgt dafür, dass soziale Frustration in Suchtverhalten umgesetzt wird. Bei uns auch?
Wenn ein Freier abgewiesen wird, lässt er sich gern Trost ins Glas gießen, die Barkeeper wissen es gut und leben noch besser damit. Das ist nicht nur bei Menschen so, auch die Männchen von Fruchtfliegen – Drosophila – greifen zum Alkohol, wenn sie keinen Sex bekommen. Den betreiben sie ansonsten unter den absonderlichsten Bedingungen, selbst im gleißenden Licht, in dem Forscheraugen im Labor jedes Detail der ausgefeilt choreografierten Balz protokollieren: Männchen stimmen zuerst Liebeslieder an – mit den Flügeln –, dann berühren sie die Weibchen mit dem Vorderfuß am Hinterleib usw., das geht zehn Minuten, dann wird 20 Minuten kopuliert. Und dann fliegen die beiden getrennte Wege, sie zur Eiablage, er zum nächsten Weibchen.
Dort kann es ihm passieren, dass er abgewiesen wird, und zwar dann, wenn das Weibchen schon Sperma eines anderen Männchens in sich hat. Dem ist etwas beigemischt – das „Sex-Peptid“ –, das Weibchen die Lust auf weitere Kopulationen nimmt und sie stattdessen zum Eierlegen anregt und ihnen Appetit macht. Blitzt ein Männchen an einem solchen Weibchen ab, dann wird in seinem Gehirn ein anderes Peptid wirksam, das ihn bei seinem Futter Alkohol bevorzugen lässt, wenn er die Wahl hat, Ulrike Heberlein (UC San Francisco) hat es experimentell gezeigt: Sie hat Drosophila-Männchen extrem frustriert, vier Tage lang dreimal am Tag zu abweisenden Weibchen gesetzt, dann bot sie ihnen zwei Varianten von Futter an, das gewohnte und eines mit Alkohol. Letzteres wurde stark bevorzugt, anders als bei Männchen der Kontrollgruppe, die sich paaren durften (Science, 335, S. 1351).
Ersatz einer Belohnung durch eine andere
Die Forscherin interpretiert das als Ersatz der einen Belohnung durch eine andere. Sie hat auch den zentralen Spieler im Gehirn identifiziert, er heißt „Neuropeptid F“, und seine Konzentrationen sinken stark, wenn das Männchen sexuell frustriert wird. Das weckt den Durst nach Alkohol, er stellt sich auch ein – ganz ohne die Anwesenheit von Weibchen –, wenn die Forscher die Produktion des Peptids manipulieren.
So weit, so nett, aber was gehen uns der Sex und Suff der Fliegen an? Wir haben etwas Ähnliches im Gehirn – Neuropeptid Y – und die Forscher vermuten, dass auch das das Bindeglied zwischen sozialer Erfahrung – von Abweisung etwa – und dem Verhalten ist, das zu Suchtgiften greifen lässt. „Wenn Neuropeptid Y der Vermittler zwischen dem Zustand der Psyche und dem Drogenmissbrauch ist, könnte man daraus Therapien entwickeln“, hofft Heberlein. Allerdings mahnt sie selbst zur Vorsicht: Neuropeptid Y ist in vielen Regionen des Gehirns und hat viele Funktionen. Man müsste es schon höchst gezielt manipulieren.