Die Vorschriften zu Sicherheitsradien um havarierte Reaktoren wurden nicht an internationale Standards angepasst. Evakuierungen hätten dadurch weniger chaotisch ablaufen können, sagen Experten.
Die japanische Behörde für Atom- und Industriesicherheit hat offenbar schon vor Jahren Plänen einer Regierungskommission für verschärfte Sicherheitsanforderungen bei Atomunfällen eine Absage erteilt. Wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Freitag unter Berufung auf E-Mails der Kommission berichtetet, sollte 2006 in Übereinstimmung mit internationalen Regelungen der Sicherheitsradius um einen havarierten Reaktor ausgeweitet werden. Dies habe die dem Wirtschaftsministerium unterstellte Behörde jedoch mit Verweis auf "mögliche soziale Unruhen und eine steigende Verängstigung der Öffentlichkeit" zurückgewiesen.
Während die Internationale Atomenergiebehörde IAEA einen Radius von fünf Kilometern für einen innere Zone sowie eine erweiterte 30-Kilometer-Sicherheitszone rund um einen havarierten Reaktor empfohlen habe, sei es schließlich bei der japanischen Regelung geblieben, die eine Sicherheitszone mit einem Radius zwischen acht und zehn Kilometern vorsehe.
Chaos hätte vermieden werden können Wäre es bereits 2006 zu einer Ausweitung der Sicherheitszonen gekommen, hätten die chaotischen Evakuierungsmaßnahmen nach der Katastrophe im Atomkraft Fukushima Daiichi im vergangenen Jahr vermieden werden können, berichtete Kyodo unter Berufung auf informierte Quellen.
In der Atomanlage war es nach dem verheerenden Erdbeben und anschließendem Tsunami vom 11. März 2011 zu Kernschmelzen in drei der sechs Reaktoren gekommen. Bei eine Serie von Explosionen und Bränden waren große Mengen Radioaktivität in die Umwelt gelangt.
Am 11. März 2011 brach am frühen Nachmittag die Katastrophe über Japan herein. 130 Kilometer östlich der Stadt Sendai bebte die Erde. Es waren die schwersten Erdstöße, die Japan jemals trafen. Erdbebendienste ermittelten die Stärke 9,0. Rund eineinviertel Stunden später traf eine Flutwelle auf die Ostküste, die alles mit sich riss. Damit nicht genug: Im Atomkraftwerk Fukushima Eins fiel die Kühlung mehrerer Reaktoren aus, es kam zum GAU. Bild: In Miyako trifft die Flutwelle am 11. März des Vorjahres an Land. (c) REUTERS (STAFF) Diesen Jänner, also zehn Monate nach der Katastrophe, legen die Behörden eine vorläufige Opferbilanz vor. Demnach sind fast 19.300 Menschen ums Leben gekommen. In dem Katastrophengebiet im Nordosten der Hauptinsel Honshu ist der Tod von insgesamt 15.844 Menschen bestätigt worden. Es werden aber noch immer 3450 Menschen vermisst.Bild: Die Uferpassage in Miyako vom vorigen Bild ein Jahr danach. (c) REUTERS (STAFF) Die Regierung in Japan erklärt am 16. Dezember, neun Monate nach der Katastrophe, das havarierte Kernkraftwerk Fukushima Eins für sicher. Das Ziel, die schwer beschädigten Reaktoren bis zum Jahresende in einer Kaltabschaltung unter Kontrolle zu bringen, sei erreicht, hieß es damals. Umweltschützer kritisieren das als eine Irreführung der Bevölkerung. Die Entsorgung des durch die Kühlung verseuchten Wassers ist weiterhin ein großes Problem. (Bild: Eine Aufnahme des Akw vom Februar 2012) (c) REUTERS (KYODO) Auch ein Jahr nach dem Unfall sind im Akw Fukushima weiter täglich 3000 Arbeiter in der Atomruine erhöhter Strahlung ausgesetzt. Sie kühlen die Reaktoren, recyceln das verseuchte Wasser und beseitigen Trümmer auf dem Unglücksgelände. Wochenlang hat der Zustand des Atomkraftwerks im vergangenen Jahr die Welt in Atem gehalten. Im Folgenden ein Rückblick auf die Ereignisse nach dem 11. März 2011. (c) REUTERS (POOL) 11. März 2011: Um 14.46 Uhr Ortszeit erlebt Japan das schwerste Erdbeben seiner Geschichte. Um 16.00 Uhr trifft eine etwa zehn Meter hohe Flutwelle die Ostküste bei Sendai, etwa 300 Kilometer nördlich von Tokio, und reißt Schiffe, Häuser, Autos und Menschen mit. Um 18.30 Uhr Ortszeit kommen die ersten Katastrophenmeldungen aus japanischen AKW. In Fukushima Eins fällt in einem der sechs Reaktoren die Kühlung aus, in Onagawa bricht ein Feuer aus. Die Regierung ruft den atomaren Notfall aus. (Bild: Die Flutwelle erreicht das Akw Fukushima 1) REUTERS/Tokyo Electric Power Co/Handout 12. März 2011: Im Reaktor 1 von Fukushima Eins (Daiichi) zerstört eine Wasserstoffexplosion Dach und Wände des Außengebäudes. Die Atomsicherheitsbehörde teilt mit, dass in Fukushima Eins möglicherweise eine Kernschmelze begonnen habe. Die Behörden weiten die Evakuierungszone auf 20 Kilometer aus, 45.000 Menschen sind betroffen. Die Atomenergiebehörde IAEA teilt mit, dass das Kühlsystem im Reaktor 2 beschädigt ist. Unterdessen gibt es auch Probleme im AKW Fukushima Zwei, die aber in den Griff gebracht werden. 9500 Menschen werden in der Hafenstadt Minamisanriku vermisst. (c) REUTERS (KIM KYUNG-HOON) 13. März 2011: Ministerpräsident Naoto Kan spricht von einer alarmierenden Lage im Atomkraftwerk Fukushima Eins. Auch im Reaktor 3 des AKW fällt die Kühlung aus. Laut Nachrichtenagentur Kyodo sind bisher 15 Menschen verstrahlt worden. In der Umgebung des AKW Onagawa wird eine 400-fach erhöhte Radioaktivität gemessen, die von der Anlage Fukushima Eins kommen soll. Auch im AKW Tokai fällt das Kühlsystem aus. (c) AP 14. März 2011: Im Reaktorblock 3 des AKW Fukushima Eins ereignet sich eine weitere Wasserstoffexplosion. Sieben Arbeiter werden verletzt, fünf von ihnen verstrahlt. In drei der sechs Reaktoren von Fukushima Eins droht die Kernschmelze, nachdem auch im Reaktor 2 die Kühlung ausfällt. Unterdessen erschüttert ein Nachbeben der Stärke 6,2 die Hauptinsel Honshu. (c) REUTERS (REUTERS TV) 15. März 2011: In Block 2 und 4 ereignen sich weitere Wasserstoffexplosionen. Ein Regierungssprecher spricht erstmals von einer gesundheitsgefährdenden Strahlendosis um das AKW Fukushima Eins. Auch in Tokio wird erhöhte Radioaktivität gemessen. Die österreichische Botschaft wird von Tokio nach Osaka verlegt. (c) AP 16. März 2011: Die offizielle Zahl der Todesopfer des Bebens wird mit 4164 angegeben, demnach werden 12.000 Personen vermisst. 430.000 Menschen leben in Notunterkünften. In Fukushima Eins wird ein Feuer in Block 4 entdeckt, dessen Dach ist weitgehend zerstört. Über Block 3 werfen Hubschrauber Wasser ab. Die radioaktive Strahlung bei dem AKW erreicht neue Höchstmarken. (c) REUTERS (KYODO) 17. März 2011: Mittlerweile steht das Wasser im Becken mit den abgebrannten Kernbrennstäben im Reaktor 4 von Fukushima Eins kurz vor dem Siedepunkt. Block 3 kühlen die japanischen Streitkräfte unterdessen mit Wasserwerfern und Löschhubschraubern. (c) REUTERS (YOMIURI) 18. März 2011: Japans Gesundheitsministerium führt Strahlentests für Nahrungsmittel ein. Die offizielle Zahl der Toten und Vermissten durch das Beben steigt auf rund 17.200. Dazu gibt es rund 500.000 Obdachlose, 25 Menschen sind in Notlagern gestorben. Unterdessen gehen die Bemühungen weiter, Reaktor 3 des AKW Fukushima Eins zu kühlen.19. März 2011: Der Verkauf von Lebensmitteln aus der Präfektur Fukushima wird gestoppt. Im Trinkwasser Tokios werden Spuren von radioaktivem Jod festgestellt. (c) EPA (STRINGER) 21. März 2011: Angespannte Lage in Notunterkünften: Zehntausende verbringen weiter die Nächte in bitterer Kälte und Regen. Die Angst vor radioaktiv belastetem Trinkwasser und verstrahlten Lebensmitteln wächst. Für vier Präfekturen wird ein Lieferverbot für Milch und Gemüsesorten verhängt. (c) EPA (DAI KUROKAWA) 22. März 2011: Zum ersten Mal seit dem Tsunami sind alle sechs Reaktoren wieder mit dem Stromnetz verbunden. Das Zittern vor einem Super-GAU geht trotzdem weiter: Rauch und Dampf behindert die Arbeiten. Tepco entschuldigt sich erstmals öffentlich. (c) REUTERS (� Handout . / Reuters) 23. März 2011: Die Atomkatastrophe belastet immer mehr die Bevölkerung Tokios. Kleinkinder sollen kein Leitungswasser mehr trinken. Eine Luftströmung mit extrem verdünnter Radioaktivität wird über Europa gemessen. Nach Schätzung der Regierung könnte die teuerste Naturkatastrophe aller Zeiten Schäden von bis zu 220 Milliarden Euro verursacht haben. (c) REUTERS (� Kim Kyung Hoon / Reuters) 24. März 2011: Der Kampf gegen die Kernschmelze im AKW Fukushima Eins geht weiter. Bis jetzt haben drei Mitarbeiter eine gefährlich hohe Strahlendosis abbekommen. Zwei Männer kommen mit Verbrennungen in eine Spezialklinik. Unterdessen treten im bisher unkritischen Block 5 Probleme auf: Auch dort ist das Pumpsystem defekt. Die Verstrahlung von Lebensmitteln breitet sich weiter aus. (c) Reuters (� Ho New / Reuters) 25. März 2011: Zwei Wochen nach dem Beben gibt es Hinweise auf eine fortschreitende Zerstörung von Reaktorblock 3. Die Regierung zeigt sich besorgt, dass die Kühlung des AKW Fukushima Eins mit Meerwasser von außen zu einer Salzverkrustung der Brennstäbe und damit zu neuen Risiken führen könnte. (c) REUTERS (� Ho New / Reuters) 29. März 2011: Drei der sechs Reaktoren von Fukushima Eins sind beschädigt. Wahrscheinlich seien die Schutzhüllen nicht mehr dicht, sagt die Atomsicherheitsbehörde.2. April 2011: Unter Block 2 wird ein Riss entdeckt, aus dem vermutlich verseuchtes Wasser dringt. Es gelingt vier Tage später, den Riss abzudichten. (c) APA 5. April 2011: Tepco kündigt erste Entschädigungszahlungen an und setzt das am Vortag begonnen Abpumpen von leicht verstrahltem Wasser aus dem AKW ins Meer fort. Damit soll Platz gemacht werden für stark verseuchtes Wasser. (c) EPA (TEPCO / HO) April 2011: Japan stuft die Atomkatastrophe auf die höchste Stufe 7 der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (Ines) hoch. Eine 20-Kilometer-Zone um die Atomruine Fukushima Eins wird Sperrgebiet. (c) AP (Daisuke Tomita) Mai 2011: Der Chef des Kraftwerksbetreibers Tepco tritt zurück. 130.000 Erdbebenopfer leben in Notquartieren. Alle zwei Millionen Bewohner der Katastrophenprovinz Fukushima sollen sich untersuchen lassen. Nach Meldungen, dass Arbeiter zu hohen Strahlendosen ausgesetzt sind, werden sie erst jetzt regelmäßig überprüft. (c) AP Dann gibt es wieder Rückschläge: Am 27. Mai bricht im AKW Fukushima Zwei ein Brand aus. Das Feuer wird laut Tepco aber wieder schnell gelöscht. Am 29. Mai fallen im Reaktor 5 von Fukushima Eins zwischenzeitlich die Kühlpumpen aus. (c) REUTERS (HO) August 2011: Extrem hohe Strahlungswerte am Unglücksmeiler Fukushima schüren neue Ängste. Mit mehr als zehn Sievert pro Stunde seien die höchsten Werte seit dem Tsunami gemessen worden, teilt Tepco mit. Auch der Reis in der Region könne massenhaft verseucht sein. Auch in Rindfleisch, Gemüse, Meeresfrüchte, Milch und Teeblättern sind zu hohe Strahlungswerte entdeckt worden. (c) AP (David Guttenfelder) November 2011: Fast acht Monate nach der Katastrophe ist die Lage noch nicht unter Kontrolle: Der Betreiber berichtet von einer neuerlichen Kernspaltung in Reaktor 2 der Atomruine. Japans Regierung bewilligt umgerechnet 8,4 Milliarden Euro Unterstützung für den Betreiber, um den Opfern der Katastrophe Entschädigungen zu zahlen. Reis aus Fukushima ist radioaktiv verseucht und darf nicht in den Handel.Bild: Eine Aufnahme aus dem November. (c) REUTERS (� POOL New / Reuters) Miyako am 11. März 2011 (oben) und am 17. Februar dieses Jahres. (c) REUTERS (STAFF) Beben, Tsunami, Nuklearkatastrophe (APA)
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