Bill Browder: Der Multimillionär, der gegen Russland zu Felde zieht

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Der Anwalt des britischen Unternehmers Bill Browder starb im Jahr 2009 in Haft, weil er einem Betrugsskandal auf der Spur war. In Europa wirbt Browder nun für Sanktionen gegen russische Verantwortliche.

Fünf Jahre nachdem er die warnenden Worte zum ersten Mal vernommen hat, haben sie sich in Bill Browders Kopf eingeschrieben und sind ihm zur unumstößlichen Wahrheit geworden. „So enden diese russischen Geschichten nicht“, hat ihm sein russischer Rechtsanwalt einst zugeflüstert. „Die Russen kennen keine Grenzen.“

Browder, der einst größte Auslandsinvestor in Russland, schien der mahnende Ton seines Angestellten in jenen Tagen übertrieben. Er wollte lieber glauben, der unangenehme Teil der Geschichte sei bereits durchgestanden: Immerhin hatte er eben sich und das Kapital seines Investmentfonds „Hermitage Capital“ gerettet. Doch sein junger Anwalt hatte recht: Die russischen Behörden waren gerade erst dabei, das richtig unangenehme Kapitel der Geschichte zu öffnen, ein Kapitel, in dem staatlich organisierter Steuerbetrug, Gefängnis und Folter das Geschehen bestimmen.

Störender Shareholder-Aktivist

Browders Engagement in Russland las sich zunächst als Erfolgsgeschichte: Er, der Enkel des früheren amerikanischen Kommunistenchefs Felix Browder und mittlerweile britischer Staatsbürger, war 1992 in den russischen Markt eingestiegen. Die Londoner Fondsgesellschaft „Hermitage Capital“ hatte an den Privatisierungen russischer Staatsunternehmen sehr gut verdient. Dass man ihm schließlich im November 2005 die Einreise verweigerte und ihn zu einer „Gefahr für die nationale Sicherheit“ erklärte, kam nicht ganz überraschend.

Browder hatte mit seinem Investmentfonds Aktienpakete verschiedener Großunternehmen, darunter der Gazprom, des Ölunternehmens Surgutneftegaz und der Sberbank gekauft. Als Shareholder-Aktivist fing er an, Korruption in diesen Firmen aufzudecken. „Ich habe mir viele Feinde geschaffen“, sagt er heute. Nach der Einreiseverweigerung entschloss er sich, sein Kapital aus Russland abzuziehen: Er habe nicht dasselbe Schicksal erleiden wollen wie Michail Chodorkowskij. Innerhalb von vier Monaten verkaufte Browder Aktien im Wert von viereinhalb Milliarden Dollar. „Evakuierte“, wie er sagt, sein Personal, schloss die Büros. Browder war weg, sein Kapital ebenso, nicht aber die Steuern, die er 2006 an den russischen Staat abgeliefert hatte: 230 Millionen Dollar.

Was nun passierte, wird in Russland „rejderstwo“ genannt, „Raiding“: die feindliche Übernahme privaten Eigentums durch staatliche Organe. Scheinfirmen klagten Browder wegen angeblich nicht erfüllter Aufträge, Scheinanwälte seiner Firmen bekannten sich vor Gericht schuldig, eine neuerliche Steuerprüfung kam zu dem Schluss, dass die Steuer rückerstattet werden müsse – 230 Mio. Dollar wurden von russischen Sicherheitsbeamten „privatisiert“. Browders Anwalt brachte all das ans Licht. Sein Name: Sergej Magnitskij. Es war jener Mann, der Browder davor gewarnt hat, dass russische Geschichten für gewöhnlich nicht glimpflich enden. Er sollte recht behalten. Im Fall von „Hermitage Capital“ endeten sie mit Gefängnis, Folter – und Magnitskijs Tod.

Magnitskij hatte vor Gericht gegen die involvierten Beamten ausgesagt. Daraufhin wurde er im November 2008 in U-Haft genommen. Ein Jahr später, am 16. November 2009, starb er in seiner Zelle. Magnitskij wurde 37 Jahre alt, hinterließ eine Frau und zwei Kinder. „Er gehörte zu jener Generation junger Russen, die an die Macht des Gesetzes glauben“, sagt Browder. 450 Eingaben hat er während seiner Haft geschrieben, in denen er sich beschwert, keine medizinische Behandlung zu bekommen, geschlagen und gefoltert zu werden. Sogar ein Bericht des Menschenrechtsrates des russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew kam im Juli 2011 zu dem Schluss, dass es „Grund zur Annahme gibt, dass Magnitskijs Tod eine Folge von Schlägen war“. Zu Ermittlungen hat der explosive Bericht bisher aber nicht geführt. Die Steuermillionen wurden dem Staat von seinen eigenen Beamten gestohlen. „Ohne Mitwisser auf höchster Ebene“, mutmaßt Browder, wäre ein Diebstahl dieser Größenordnung nicht möglich gewesen.

Einreiseverbot für Beamte in Europa?

Aus dem Shareholder-Aktivist Bill Browder ist heute ein Aktivist on the ground geworden: Browder verfasst Presseaussendungen, trifft Bürgerrechtler und Diplomaten, er hält Vorträge über den Fall Sergej Magnitskij und wirbt für Strafmaßnahmen gegen die, wie er sagt, rund 60 Beamten und Richter, die Magnitskijs Tod zu verantworten haben. Die USA haben ihre Einreise unter Strafe gestellt. Um dies auch in Europa zu erreichen, tourt er durch EU-Länder und erzählt Abgeordneten seine Geschichte. Mit (symbolischem) Erfolg: Die Parlamente Schwedens, Großbritanniens und der Niederlande haben unlängst in Resolutionen ihre Regierungen aufgefordert, tätig zu werden.

„Magnitskij starb, weil er in meinen Diensten stand“, antwortet Browder auf die Frage nach seiner Motivation. „Ich kann das nur verarbeiten, indem ich etwas tue.“ Gerechtigkeit für den getöteten Anwalt werde es unter einem Präsidenten Putin nicht geben, gibt er sich illusionslos. „Aber wenn das Regime fällt, dann wird der Fall Magnitskij eines der ersten Tribunale.“ Browder hofft, dass russische Geschichten in Zukunft ein anderes Ende nehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2012)

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