Syrien: Ruf nach Militäreingriff wird lauter

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UNO-Sondergesandte Kofi Annan will mit Assads Regime eine Beobachtermission ausverhandeln. Die Türkei und die Staaten des Golf-Kooperationsrats schlossen ihre Botschaften in der syrischen Hauptstadt Damaskus.

Istanbul/Wien. Zurück an den Start: Zu Jahresanfang hat die Arabische Liga ihre Beobachter aus Protest gegen Menschenrechtsverletzungen der syrischen Regierung aus dem Land abgezogen, nun bemüht sich der UNO-Sondergesandte Kofi Annan darum, wieder internationale Beobachter nach Syrien zu schicken. Annan fordert einen sofortigen Waffenstillstand, humanitäre Hilfe und den politischen Dialog zwischen Regierung und Regimegegnern. Doch die von Annan geforderte Geschlossenheit im Sicherheitsrat gibt es nicht.

Der russische Nahost-Gesandte Michail Bogdanow kritisierte etwa die Aufforderungen an Assad zurückzutreten: „Assads Regierung illegitim zu nennen und seinen Rücktritt zu fordern, ist kontraproduktiv, weil es der Opposition das Gefühl gibt, dass es nicht notwendig ist, mit Assad in einen Dialog zu treten.“ Russlands Außenminister Sergej Lawrow hingegen hat Annan am Donnerstag „aktive Unterstützung“ zugesagt.

Für den französischen Außenminister Alain Juppé ist es weiter inakzeptabel, „Unterdrücker und Opfer ins selbe Boot zu stecken“. Eine rein humanitäre Resolution reiche nicht – sie müsse auch eine politische Lösung beinhalten.

Vertreter der militärisch in die Defensive geratenen syrischen Opposition – zuletzt fiel eine ihrer Hochburgen nach der anderen an die Regierungstruppen – verlangen immer vernehmlicher eine Militärintervention arabischer Staaten. Nach Angaben von Aktivisten demonstrierten gestern, Freitag, tausende Menschen in Aleppo, Homs und Dara'a und riefen nach einem Eingreifen. Die Aktivisten forderten auf der Facebook-Seite „The Syrian Revolution 2011“ eine Flugverbotszone und Schutzzonen für Hilfslieferungen.

Türken sollen Syrien verlassen

Die Türkei erhöht unterdessen den diplomatischen Druck auf Damaskus: Das türkische Außenministerium hat türkische Bürger „dringend“ aufgefordert, Syrien zu verlassen und keine Reisen nach Syrien zu unternehmen. Die Botschaft in Damaskus soll geschlossen werden. Die Schließung der Botschaft kurz nach einem Besuch des CIA-Chefs David Petraeus beim türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdoğan in Ankara wirft die Frage auf, ob die Türkei nicht doch erwägt, militärisch einzugreifen oder zumindest damit zu drohen. Andererseits ist man sich in Ankara des Risikos wohl bewusst, in einen syrischen Bürgerkrieg hineingezogen zu werden.

Dies nicht zuletzt, weil anschwellende Flüchtlingsströme zusammen mit dem Wegfall von Exporten in Richtung Syrien für die Türkei auf Dauer auch ein ökonomisches Problem darstellen. Innerhalb von 24 Stunden sollen tausend Flüchtlinge gekommen sein, womit die Gesamtzahl der Flüchtlinge in der Türkei auf 17.000 gestiegen ist. Der türkische Rote Halbmond rechnet mit bis zu einer halben Million Flüchtlingen.

In der Nacht auf Freitag haben auch sechs arabische Golfmonarchien die Schließung ihrer Botschaften in Syrien beschlossen. Und zuvor sind Gerüchte kursiert, wonach die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton die EU-Mitgliedstaaten auffordern wolle, alle Botschafter aus Syrien abzuziehen. Ashton habe keine Absicht, dies zu tun, erklärte ihr Sprecher Michael Mann am Freitag in Brüssel. Einige EU-Staaten haben bereits ihre diplomatische Vertretung in der syrischen Hauptstadt geschlossen, darunter Frankreich, Großbritannien und Italien.

Österreich hat bereits im Februar erklärt, dass der Botschafter fürs Erste in Damaskus verbleiben soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2012)

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